Digitale Kompetenz an deutschen Schulen Setzen, sechs!

Von Natalie Ziebolz

Die Erstellung digitaler Inhalte, Problemlösungskompetenzen im digitalen Raum und Grundwissen zum Datenschutz – all dies sollte für Digital Natives kein Problem sein, könnte man meinen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Wie eine aktuelle Untersuchung von Fujitsu zeigt, haben weder die Schüler selbst noch künftige Arbeitgeber Vertrauen in die digitalen Kompetenzen von Schulabgängern.

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An europäischen und vor allem deutschen Schulen werden digitale Kompetenzen nur ungenügend vermittelt
An europäischen und vor allem deutschen Schulen werden digitale Kompetenzen nur ungenügend vermittelt
(© contrastwerkstatt – stock.adobe.com)

Digitale Lehrmittel, Budgets, über die Schulen selbst verfügen dürfen und ein Fokus auf die digitale Kompetenzentwicklung, um auch ältere Lehrkräfte mitzunehmen – reines Wunschdenken? Nicht in Dänemark. Bereits 2012 hat unser skandinavisches Nachbarland damit begonnen, in das digitale Lernen zu investieren und lässt mittlerweile andere europäische Länder alt aussehen. Das bestätigt auch die aktuelle Meta-Analyse „Program for International Digital Skills Assessment“ (FIDA) von Fujitsu.

63 Prozent der 6- bis 13-Jährigen haben selbst im Pandemie Jahr 2020 keine Videokonferenz-Tools genutzt
63 Prozent der 6- bis 13-Jährigen haben selbst im Pandemie Jahr 2020 keine Videokonferenz-Tools genutzt
(© mpfs)

Das fängt bereits bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen an: Während beispielsweise 86 Prozent der dänischen Schüler mindestens einmal pro Woche online zusammenarbeiten, sind es in Deutschland lediglich zwölf Prozent. Auch kommen in Deutschland digitale Medien „hauptsächlich nur für kleine Forschungs­projekte oder Online-Recherchen“ zum Einsatz. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nur 23 Prozent der Schüler digitale Medien in der Schule nutzen, bei außerschulischen Aktivitäten sind es ganze 92 Prozent.

Immerhin, wenn es darum geht, verantwortungs­volles Verhalten im Internet zu vermitteln, liegen deutsche Lehrer im oberen Mittelfeld: Dies klappt laut der Analyse bereits in 74 Prozent der Fälle und damit besser als in Frankreich oder Österreich:

  • Vereinigtes Königreich (95 Prozent)
  • Deutschland (74 Prozent)
  • Österreich (70 Prozent)
  • Frankreich (70 Prozent)
  • Niederlande (64 Prozent)
  • Portugal (62 Prozent)
  • Italien (53 Prozent)
  • Dänemark (48 Prozent)

Den Schülern reicht dies allerdings nicht. Sie wünschen sich noch mehr Informationen zum Verhalten im Internet und den sozialen Netzwerken. Auch über „die Erstellung und Veröffentlichung von digitalen Inhalten und rechtliche Themen“ würden sie gerne mehr lernen.

„Die meisten Initiativen zur Computerkompetenz im europäischen Bildungssystem konzentrieren sich auf den Umgang mit Computern, versäumen es aber, Kompetenzen darüber hinaus, die das Leben und die Arbeitswelt heute voraussetzen, zu vermitteln“, ergänzt Dr. Christian Swertz, Professor für Medienpädagogik an der Universität Wien. „Schüler sollten für den Arbeitsplatz relevante Medien kennenlernen, lernen Inhalte zu erstellen, in einem interaktiven, kooperativen und individualisierten Klassenzimmer.“

Von fehlender Infrastruktur und mangelnder Bereitschaft

Auch im ifo Bildungsbarometer kommen 46 Prozent der Befragten zu dem Schluss, dass Lehrkräfte nicht ausreichend ausgebildet sind, um Digital- und Medienkompetenzen zu vermitteln
Auch im ifo Bildungsbarometer kommen 46 Prozent der Befragten zu dem Schluss, dass Lehrkräfte nicht ausreichend ausgebildet sind, um Digital- und Medienkompetenzen zu vermitteln
(© ifo Institut)

Woran liegt es also, dass entsprechende Themen keinen größeren Platz im Schulalltag einnehmen? Auch auf diese Frage versucht die Fujitsu-Umfrage eine Antwort zu finden: Demnach ist das Defizit bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen „auf die mangelnde Akzeptanz seitens der Lehrkräfte zurückzuführen, die nicht die dringende Notwendigkeit der digitalen Nutzung in den Schulen sehen“: Lediglich neun Prozent der Lehrkräfte stimmen dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht „voll und ganz“ zu – in Dänemark sind es übrigens 64 Prozent.

Das merken auch Schüler und Eltern. Sie sind überwiegend der Meinung, dass Lehrkräfte „digitale Medien grundsätzlich nicht effektiv vermitteln können“. Doch auch an grundlegenden Voraussetzungen wie einer ausreichenden Internet­verbindung scheitert es vielerorts. Nur 30 Prozent der Schulleiter sind mit dieser zufrieden. Auch die Plattformen, die beim Online-Lernen unterstützen sollen, bewerten nur 30 Prozent als gut.

„In vielen Bereichen besteht dringender Verbesserungsbedarf“, weiß auch Christian Leutner, Vice President, Head of Product Sales Europe bei Fujitsu. „Es muss sichergestellt werden, dass die Schulen über die digitale Infrastruktur und das Fachwissen verfügen, das sie zur Unterstützung der digitalen Medienausbildung benötigen. Dazu müssen Lehrpläne erweitert und modernisiert werden und Lehrkräften entsprechende Fortbildungen zur Verfügung stehen.“

Digital Natives – oder doch nicht?

Aktuell vertrauen nämlich weder Schüler noch künftige Arbeitgeber in die digitalen Fähigkeiten der Berufsanfänger. Es fehlt ihnen laut der Umfrage „die Kompetenz zu Problemlösungen oder der Erstellung digitaler Inhalte“. Hinzu kommt laut der europäischen Arbeitgeber eine mangelnde Kompetenz im Bereich Datenschutz und Privatsphäre. „Man geht davon aus, dass die heutige Generation der Digital Natives die erforderlichen digitalen Fähigkeiten auf natürliche Weise erwirbt“, so Leutner. „Unsere Untersuchung zeigt jedoch, dass viel mehr formeller digitaler Unterricht erforderlich ist, um die Schulabgänger entsprechend für den Arbeitsplatz und die digitale Gesellschaft zu rüsten.“

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