Verwaltungsmodernisierung und EU-Dienstleistungsrichtlinie Plattform für europaweiten Dienstleistungstransfer
Über die Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf das deutsche Verwaltungshandeln wurde in den letzten Monaten viel diskutiert. Mit der Umsetzung in nationales Recht wird die Richtlinie nun für Bund, Länder und Kommunen konkret. Zwar sind die Details der Rechtsverordnungen noch im Fluss, aber es wird deutlich, dass einige Änderungen in den Genehmigungsabläufen vorzunehmen sind.
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Dies betrifft unter anderem die Genehmigungsfiktion, die Einrichtung einer einheitlichen Stelle, die bundesweite Geltung von Genehmigungen und die Anpassung des Gebührenrechts. Die Umsetzung der neuen Rechtsvorschriften bedarf der Anpassung von organisatorischen Abläufen, die nur durch den Einsatz neuer IT-Strukturen zu bewerkstelligen sind.
Im Rahmen dieses Artikels wird eine Plattform vorgestellt, die auf die neuen Herausforderungen zugeschnitten wurde und somit ein Instrument darstellt, wie sich Länder und Kommunen sinnvoll auf den 1. Januar 2010 vorbereiten können. Bei deren Entwicklung wurden neue, leistungsfähige Modellierungsmethoden geschaffen, welche die komplexen Zusammenhänge der Genehmigungsverfahren optimal berücksichtigt und als Zielgruppe Verwaltungsfachleute adressiert.
Da bei der Konzeption die Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners noch nicht feststand, können mit der Plattform alle zurzeit diskutierten Modelle umgesetzt und flexibel auf weitere kurzfristige Änderungen der Rechtsvorschriften reagiert werden. Gleichzeitig ist sie in der Lage, die unterschiedlichsten Dienste von vorhandenen IT-Komponenten im Sinne einer serviceorientierten Architektur über sichere Schnittstellen zu integrieren.
Vor der technischen Umsetzung sollen nochmals die grundsätzlichen Anforderungen an die neu zu schaffenden Abläufe in Genehmigungsverfahren zusammengefasst werden. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass ein sogenannter „Einheitlicher Ansprechpartner“ (EAP) den EU-Dienstleistern und inländischen Bürgern in allen Verfahrensfragen zur Verfügung steht und über diesen zentralen Anlaufpunkt die Möglichkeit gegeben sein muss, alle Formalitäten direkt abzuwickeln. Dies beinhaltet eine Informationspflicht des EAP, der so schnell wie möglich elektronisch zu allen Verfahrensformalitäten wie zuständige Behörden und Ansprechpartner sowie zu Verfahrensabläufen und Rechtsbehelfen Auskunft erteilen muss.
Keine Antwort heißt genehmigt
Dies beinhaltet auch die weitgehende elektronische Abwicklung, sodass beispielsweise der Antragsteller das Verfahren aus seinem Heimatland aus durchführen kann. Zudem tritt bei Antragsstellung eine Genehmigungsfiktion ein. Das heißt nicht anderes, als dass der Antragsteller bereits bei der Anstoßung des Verfahrens eine genaue Angabe erhält, bis wann der Antrag beschieden ist. Erfolgt innerhalb der genannten Frist keine Antwort, gilt die Genehmigung als erteilt.
Termin für die Umsetzung und einen ersten Lagebericht ist Ende 2009. Während in anderen europäischen Ländern und in einigen deutschen Bundesländern erst die Planungsphase begonnen hat oder nicht einmal mit der Umsetzung begonnen wurde, hat in Baden-Württemberg im Auftrag des Innenministeriums die T-Systems gemeinsam mit der Datenzentrale Baden-Württemberg und der cit GmbH die IT-seitige Umsetzung der EU-DLR für Baden-Württemberg schon weitgehend realisiert.
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Die Plattform steuert den Gesamtablauf
Die Kooperationspartner haben auf Basis von cit intelliForm, einer universellen Plattform für Formular- und Prozess-Management, eine Lösung zur Umsetzung konzipiert und realisiert – vor der Herausforderung, eine sichere elektronische Zusammenarbeit aller am Prozess Beteiligten zu ermöglichen und die Prozess-Integration in einer uneinheitlichen IT-Landschaft zu realisieren. Um die einzelnen technischen Komponenten im Rahmen einer serviceorientierten Architektur (SOA) zu verbinden, hat die cit GmbH eine elektronische Kooperationsplattform entwickelt, die diese Anforderung mehr als erfüllt.
Durch eine „semantische Modellierung“ der Prozesse auf deren Basis die Anwendung automatisch generiert wird, stehen den Anwendern bei noch unklaren Rahmenbedingungen in einer heterogenen IT-Landschaft die Werkzeuge zur Verfügung, mit denen die Anforderungen der Richtlinie erfüllt werden.
Kernelement und Basistechnologie für die elektronische Kooperationsplattform ist cit intelliForm, die eine webbasierende Kollaboration zwischen den Beteiligten ermöglicht. Dies schließt den Antragsteller, den EAP und die zuständigen Stellen in der Verwaltung ein oder auf der Plattform zusammen und ermöglicht eine Steuerung und Unterstützung in der Kommunikation zwischen allen am Verfahren Beteiligten. Dabei zielt die Lösung nicht darauf ab, etablierte Fachverfahren abzulösen oder einzelne Prozesse zu ersetzen, sondern bindet diese organisatorisch mit in das System ein.
Es besteht auch keine Pflicht für die Anbieter solcher Verfahren, ihre Lösungen direkt elektronisch in die Kooperationsplattform einzubinden. Die Plattform steuert vielmehr den Gesamtablauf bis zur abschließenden Genehmigung, überwacht Fristen und sorgt für die zeitgerechte Information aller Beteiligten.
Arbeit in virtuellen Bereichen
Die wichtigste Besonderheit dieser Lösung ist ihre grafische, semantische Modellierung des Informationsflusses. Dadurch orientiert sich dieser Ansatz – im Gegensatz zu anderen – wesentlich stärker am späteren Nutzer der Anwendung. Den Kern der Umsetzung bildet die Web-basierende Kollaboration zwischen den Beteiligten: Dienstleister (Antragsteller), Einheitlicher Ansprechpartner und zuständige Stellen der Verwaltung.
Um allen Beteiligten den Zugang zu den Funktionen und Aufgaben übersichtlich darzustellen, gibt es für jede Beteiligungsart virtuelle Bereiche. In diesen werden alle für den jeweiligen Fall notwendigen Statusinformationen, Aktionen, Beschreibungen, Formulare und Bescheide übersichtlich dargestellt.
Der Dienstleister registriert sich an der Plattform, initiiert sein Vorhaben und wickelt zunächst die Antragsformalitäten ab. Die aufgabenorientierte Benutzerführung hilft dabei, die erforderlichen Unterlagen anhand von komfortablen Formular-Assistenten schrittweise zusammenzustellen.
Die Antragsunterlagen werden dem zuständigen Einheitlichen Ansprechpartner als Vorgang zugestellt und von diesem geprüft. Der EAP kann fehlende oder falsche Unterlagen mit direkter Unterstützung des Systems nachfordern. Auch hier greift die Aufgabenorientierung.
Nach Freigabe durch den EAP werden die zuständigen Stellen der Verwaltung in den Genehmigungsprozess einbezogen. Dies erfolgt schrittweise und optimiert, sodass möglichst viele Aktivitäten gleichzeitig ablaufen. Die einzelne zuständige Stelle erhält je nach Konfiguration die Antragsunterlagen über verschiedene Kanäle.
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Dreistufiger Ablauf hinter den Kulissen
So kann die Beteiligung per gesicherter eMail über die virtuelle Poststelle (VPS) oder über die Weboberfläche der Plattform bis hin zur direkten Anbindung des entsprechenden Fachverfahrens über einen Integrationsbus erfolgen. Jede zuständige Stelle (Kommune, Kammer, Genossenschaft) kann dabei die Integrationstiefe selbst bestimmen.
Die Plattform steuert den Gesamtablauf bis zur abschließenden Genehmigung, überwacht Fristen und sorgt begleitend für die pünktliche Information aller Beteiligten.
Hinter den Kulissen greift zur Definition und Konfiguration der Abläufe ein dreistufiger Ansatz:
- Die Definition der Gesamtprozesse erfolgt über ein grafisches Modell. Dieses Modell besteht nicht aus einzelnen technischen Prozessschritten, vielmehr bildet es die Fachlichkeit ab und beschreibt den Informationsfluss und die Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Stellen auf einem höheren Abstraktionsniveau.
- Aus einem solchen semantischen Modell lässt sich die eigentliche Anwendung (die technischen Oberflächen und Workflow-Beschreibung) vollautomatisch generieren.
- Die Vorgaben des Modells können mandantenspezifisch, zum Beispiel auf kommunaler Ebene, angepasst werden, unter anderem hinsichtlich konkreter beteiligter Stellen, optionaler Teilprozesse, spezifischer Formulare oder mit Links zum Webauftritt des Mandanten.
Neben der Umsetzung in Baden-Württemberg mit den genannten Partnern erfolgt auch die Pilotierung im Land Brandenburg auf einer cit-Plattform. Der Projektpartner ist in diesem Fall der LDS Brandenburg (Landesbetrieb für IT-Serviceaufgaben).
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