eGovernment OZG ist ein Prüfstein für die EA-Infrastruktur

Von Susanne Ehneß

Der Umsetzungsstand des Onlinezugangsgesetzes (OZG) variiert bundesweit enorm. Bemerkenswert dabei ist, dass Länder, die besonders erfolgreich moderne Lösungen für die EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) und den Einheitlichen Ansprechpartner (EA) umgesetzt haben, auch in der OZG-Umsetzung führend sind. Carsten Heidebrecht (EA Berlin), Klaus Wanner (cit GmbH) und Dr. Philipp Willer (ITV Schleswig-Holstein) äußern sich zu den Gründen und die daraus resultierenden Lehren für die Zukunft.

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„Die zunehmende Digitalisierung der Verwaltung kann nur dann weiter Fahrt aufnehmen, wenn nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden muss“
„Die zunehmende Digitalisierung der Verwaltung kann nur dann weiter Fahrt aufnehmen, wenn nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden muss“
(© kebox - stock.adobe.com)

Zwischen EU-DLR und OZG gibt es grundlegende Parallelen: Beide Gesetzgebungen stellen im Kern die Forderung, eine erhebliche Zahl an Verwaltungsleistungen digital zu öffnen und online bereitzustellen. Mit dem EA wurde eine Struktur geschaffen, die die Online-Angebote landesweit umsetzt und als Lotse fungiert. Der IT-Planungsrat hält das Netzwerk „Einheitlicher Ansprechpartner“ für eine wesentliche Komponente bei der Umsetzung des OZG.

Wenn EU-DLR und EA schon mit modernen Plattformen umgesetzt wurden, sind bereits Erfahrungen mit Online-Diensten vorhanden und viele Herausforderungen wie beispielsweise die Übertragung der Daten in die Kommunen und das kundenzentrierte Design von Online-Diensten gelöst

Dr. Philipp Willer, Geschäftsführer des IT-Verbunds Schleswig-Holstein

Vorsprung durch gute Grundlagen

Bundesweit ist zu beobachten, dass Länder, die mit einer modernen Plattform die EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) und den Einheitlichen Ansprechpartner (EA) erfolgreich umgesetzt haben, auch besonders weit in der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes sind. „Durch die Vorgaben der EU-DLR wurde bereits eine Vielzahl von Verwaltungsdienstleistungen im Bereich des Antragsmanagements digitalisiert. Diese Verwaltungsdienstleistungen sind auch im Digitalisierungsplan im Kontext des OZG enthalten,“ erklärt Carsten Heidebrecht vom Einheitlichen Ansprechpartner in Berlin die Synergien zwischen den genannten Initiativen. „Wenn EU-DLR und EA schon mit modernen Plattformen umgesetzt wurden, sind bereits Erfahrungen mit Online-Diensten vorhanden und viele Herausforderungen wie beispielsweise die Übertragung der Daten in die Kommunen und das kundenzentrierte Design von Online-Diensten gelöst,“ ergänzt Dr. Philipp Willer, Geschäftsführer des IT-Verbunds Schleswig-Holstein und dort verantwortlich für den EA.

Klaus Wanner
Klaus Wanner
(© cit)

„Technisch gesehen finden sich viele Anforderungen des OZG auch in den Anforderungen der EU-DLR. Wer diese also bereits mit einer flexiblen, universellen Plattform umgesetzt hat, kann nun einige Synergien nutzen,“ ergänzt Klaus Wanner, geschäftsführender Gesellschafter der cit GmbH, den Vorsprung mancher Länder aus Sicht eines Plattform-Anbieters.

Universalformular vs. Detailantrag – was hat sich bei der EU-DRL bewährt?

Aktuell gibt es bei der OZG-Umsetzung die Idee, alle Antragsarten über ein universelles Formular mit formlosen Anträgen abzubilden. Das klingt verlockend einfach und man fragt sich, warum bei der EU-DLR nicht ebenfalls so vorgegangen wurde. „Ein universelles Formular für formlose Anträge kann sinnvoll sein, wenn nur geringe Fallzahlen zu erwarten sind und der Aufwand für die Implementierung eines individuellen Verfahrens zu hoch wäre. Ein solches Formular sollte auch als Auffanglösung für diejenigen Verwaltungsdienstleistungen zur Verfügung stehen, die aufgrund fehlender Ressourcen noch nicht implementiert werden konnten, so dass der Bürger bereits frühzeitig einen digitalen Zugang nutzen kann,“ beschreibt Heidebrecht die Einsatzmöglichkeiten für Universalformulare.

Philipp Willer
Philipp Willer
(© ITV SH)

Dr. Willer sieht hier vor allem Bedenken in Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit eines Universalformulars. Zwar klinge die Möglichkeit eines formlosen Antrags zunächst einmal gut, aber spätestens nach der zweiten Rückfrage durch die Verwaltung, weil wichtige Angaben oder Belege fehlen, fühle sich der Prozess für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr professionell an.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Klaus Wanner. Für triviale Anträge ohne große Datenerhebung reichten formlose Anträge über ein Universalformular aus, aber so etwas könne auch per Kontaktformular geschehen und hätte keines Mammutprojektes wie dem OZG bedurft. Als weiteren Nachteil bringt er ins Spiel, dass formlose Anträge über ein Universalformular für Mehraufwand in der Verwaltung sorgen, da keinerlei Kontrolle auf Vollständigkeit, Plausibilität und Qualität des Antrags erfolge. All dies sorge für deutlich mehr Klärungsbedarf für die Verwaltung. Durch mangelnde Effizienz und Bürgerfreundlichkeit könnten Universalformulare deshalb bestenfalls als Überbrückungslösung taugen.

Die Alternative zum Universalantrag sind detaillierte Online-Anträge, die quasi entscheidungsreife Anträge erzeugen. Wie beurteilen die Fachleute die Vor- und Nachteile detaillierter Lösungen – ist deren Erstellungsaufwand nicht zu hoch? Wie Carsten Heidebrecht schildert, habe sich in Berlin gezeigt, dass der Erstellungsaufwand zwar höher, aber bei Antragsverfahren mit höheren Fallzahlen auch angemessen sei. Durch die benutzerfreundliche, geführte Datenerfassung sei die Antragsqualität hoch, was zu kürzeren Bearbeitungszeiten und mehr Effizienz für alle Beteiligten geführt habe. Auch in Schleswig-Holstein habe man mit detaillierten Online-Anträgen gute Erfahrungen gemacht. Es sei immer eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen erforderlich, aber bei hohen Fallzahlen und langen Bearbeitungszeiten sei ein geführter Online-Antrag sinnvoll, betont Dr. Philipp Willer.

Carsten Heidebrecht
Carsten Heidebrecht
(© EA Berlin)

Synergien nutzen

Bleibt die Frage, welche Synergien und Vorteile sich bei der Umsetzung des OZG auf Basis der vorhandenen EA-Infrastruktur ergeben. In Schleswig-Holstein betont man, dass dank der gleichen Plattform die bekannten Instrumente und Betriebsprozesse genutzt werden können. Gleichzeitig habe die Notwendigkeit bestanden, die EA-Plattform für die OZG-Umsetzung zu modernisieren und auszubauen. „Unsere EA-Infrastruktur bietet bereits die erforderliche Systemumgebung, um die Digitalisierung der OZG-Verfahren effizient vornehmen zu können. Die intelliForm-Lösung ist ausreichend flexibel, um die Anforderungen des OZG abbilden zu können und entwickelt sich technologisch kontinuierlich weiter. So ersparen wir uns die aufwändige Auswahl und Einführung einer neuen Infrastruktur und können auf vorhandenes Know-how aufbauen“, beschreibt Heidebrecht die Ausgangslage in Berlin. Interessant sei zudem, dass sich die Plattform aufgrund ihrer Flexibilität auch für eine länderübergreifende Kooperation bei der Entwicklung neuer Antragsverfahren anbiete.

Als Plattformhersteller betont Klaus Wanner, dass diese Art von Synergien – sowohl zwischen einzelnen Initiativen als auch länderübergreifend – bewusst das Ziel sei. Die zunehmende Digitalisierung der Verwaltung könne nur dann weiter Fahrt aufnehmen, wenn nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden müsse.

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