eGovernment-Gesetz Orientierung für Verwaltungen
Das künftige eGovernment-Gesetz: Den einen geht es nicht weit genug, die anderen finden, es schreibe bereits jetzt den Kommunen viel zu viel vor. Jetzt hat auch die Opposition das Thema als Wahlkampfthema entdeckt. Hinzu kommen technische Fragestellungen zur Einbindung von nPA und De-Mail. Wie also geht es mit dem eGovernment-Gesetz weiter?
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Alexander Schmid, Partner bei BearingPoint, findet dennoch, das eGovernment-Gesetz sei auf einem guten Weg. eGovernment Computing wollte wissen, worauf diese Einschätzung beruht.
Der politische Gegenwind für das geplante eGovernment-Gesetz wird wieder heftiger. Nach der Ablehnung durch den Bundesrat hat nun auch die Opposition das Thema für sich entdeckt. Welche Folgen ergeben sich daraus für das Gesetz selbst und für seine Umsetzung?
Schmid: Sieht man sich Beiträge der Parlamentarier aus der ersten Lesung des eGovernment-Gesetzes im Deutschen Bundestag am 21. Februar an, bleibt für mich erst einmal festzustellen: Ich sehe eine große Einigkeit in allen Redebeiträgen, eGovernment in Deutschland weiter zu fordern und zu fördern.
Ich sehe aber auch die Fragen, die nun einmal mit einer digitalisierten und vernetzten Verwaltung kommen. Wie steht es mit dem Datenschutz? Welche Kosten sind für die Verwaltung zu erwarten? Nun ist das Gesetz vor der zweiten und dritten Lesung im Bundestag in die Ausschüsse überwiesen. Hier erwarte ich eine Schärfung dieser Fragen. Die Antworten können für mich aber nur gemeinsam mit den Verwaltungen im Bund und in den Ländern erarbeitet werden.
Vor allem die Sorge, die Kommunen könnten durch die Umsetzung der Gesetzesvorgaben mit unkalkulierbaren finanziellen Belastungen konfrontiert werden, treibt die Kritiker um. Sind die Sorgen berechtigt und wenn nein, weshalb nicht?
Schmid: Die Kostenkalkulation ist sicherlich wichtig. Allerdings führt die Umsetzung der Maßnahmen des eGovernment-Gesetzes mittelfristig nicht zu mehr Kosten, sondern zu weniger Kosten. Unkalkulierbare Belastungen werden auf Kommunen zukommen, die ihre Prozesse nicht digitalisieren, da sie ihre Behörden nicht nachhaltig effizient ausrichten können und wesentliche Effizienzpotenziale so verloren gehen
Daher finde ich, dass das Bundesinnenministerium mit den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf einen ausreichend vorsichtig formulierten Text geschaffen hat, der jeder Kommune und auch den Ländern jeweils den Einstieg gemäß den eigenen Fähigkeiten ermöglicht. Für die einzelne Behörde empfiehlt es sich, eine individuelle, tragfähige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für alle denkbaren Szenarien zum eigenen eGovernment-Angebot unter den Möglichkeiten des Gesetzes zu erstellen.
Ein weiterer Kritikpunkt war die nach Meinung vieler unzureichende Einbindung von De-Mail und nPA. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Schmid: De-Mail und die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises sind für mich zwei wesentliche Elemente von eGovernment. Wesentlich ist hier: Behörden können die zugehörigen Infrastrukturen nutzen, auch wenn eigene Voraussetzungen bisher fehlen.
In diesem Zusammenhang kann ich auf unsere eigenen Arbeiten im Kompetenzzentrum neuer Personalausweis verweisen. Im Auftrag des Bundesinnenministeriums hat BearingPoint, wie andere IT- und Beratungsunternehmen auch, Behörden aller drei Verwaltungsebenen in den vergangenen vier Jahren zum Einsatz der eID-Funktion beraten.
Für De-Mail verfügt BearingPoint über einen Showroom, in dem Behörden und Verwaltungen die technischen, organisatorischen, aber auch die wirtschaftlichen Fragen zum Einsatz in der Behördenkommunikation in Abhängigkeit von ihren spezifischen Anforderungen im Detail erörtern können.
Hier können die Fachleute aus den Behörden auch die Chancen diskutieren, die sich für ihre Geschäftsprozesse aus dem eGovernment-Gesetz ergeben.
Inwiefern macht die Forderung nach einer technischen Öffnungsklausel – etwa für De-Mail-Anwendungen – Probleme?
Schmid: Diese Forderung weist für mich in die richtige Richtung. Alle verstehen sicherlich, dass es technisch nicht einfach sein wird, beispielsweise die elektronische Authentifizierung sicher technikoffen zu halten.
Wenn wir jedoch auf ein zukünftiges europäisches oder gerne auch globales eGovernment blicken, in dem elektronische Identitäten unterschiedlicher Provenienz akzeptiert werden beziehungsweise werden sollten, werden wir einen Bring-your-own-ID Ansatz benötigen. Gut, dass wir hierfür bereits zwei starke, sichere eGovernment-Komponenten mit De-Mail und der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises in Deutschland zur Verfügung haben.
Für die technische und rechtliche Umsetzung der Forderung sehe ich jedoch noch einen erheblichen Vorbereitungsaufwand. Entsprechend sollte nach meinem Verständnis dieser Frage den Behörden zur Umsetzung eine Brücke in Form von passenden Übergangsfristen und zentralen Unterstützungsleistungen geboten werden.
Inzwischen gehen viele davon aus, dass das Gesetz aufgrund der Kritik des Bundesrates vom Bundestag in einer weichgespülten Version verabschiedet wird. Optimisten glauben, allein dies würde aufgrund der „Vorbildwirkung“ schon reichen, um eGovernment deutlich nach vorne zu bringen. Teilen Sie diese Einschätzung und wenn ja, weshalb?
Schmid: Einem Optimisten sollte hier kein Makel angehängt werden. Für mich stelle ich fest, dass Behörden mit dem Gesetz erstmals einen gesetzlichen Rahmen erhalten, an dem sie sich zu Schlüsselfragen einer modernen Verwaltung in den kommenden Jahren orientieren können.
Ein eGovernment-Gesetz „light“ würde allerdings auch dazu führen, dass damit der juristische Rahmen zur Umsetzung der Nationalen eGovernment-Strategie (NEGS) zu schwach ausfallen könnte, um eine rasche Verbreitung von eGovernment zu fördern. Wie würde es dann weitergehen?
Schmid: Aus meiner Sicht erhalten Staatssekretärin Rogall-Grothe, als Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnologie, und der CIO des Freistaates Bayern, Staatssekretär Franz Josef Pschierer als Vorsitzender des IT-Planungsrats, in diesem Jahr mit dem eGovernment-Gesetz eine zusätzliche Unterstützung, die NEGS umzusetzen beziehungsweise parallel weiter zu entwickeln.
Lassen Sie mich zudem einmal die Umkehrfrage stellen: Was wäre denn besser ohne ein eGovernment-Gesetz? Die Weiterentwicklung von eGovernment im Bund und den Ländern müsste auf die zugehörige Diskussion der Chancen, aber auch der Herausforderungen verzichten.
Das wäre für mich keine gute Alternative. Mit Blick auf unsere föderalen Strukturen ist es für mich aber auch kein Muss, auf ein eGovernment-Gesetz „strong“ zu warten. Dazu entwickeln sich die eGovernment-Themen gerade auch im europäischen Kontext viel zu schnell und erfordern jeweils eine Integration in die nationalen Vorhaben.
Auch vom Leitbild, dass eGovernment aus Deutschland bis 2015 einen europäischen Spitzenplatz einnehmen soll, müsste man sich dann endgültig verabschieden. Wie geht es dann weiter?
Schmid: Die Einschätzung zum verpassten Spitzenplatz sehe ich differenziert. Bei einer engen Definition von eGovernment ist es sicherlich sinnvoll, offensichtliche Optimierungspotenziale zu benennen. Hier verstehe ich die über das eGovernment-Gesetz angestrebte elektronische Erreichbarkeit der Behörden oder auch die Schaffung elektronischer Bezahlmöglichkeiten als notwendige Schritte für ein zukunftsfähiges eGovernment.
Deutschland verfügt über eine leistungsfähige Verwaltung. Mit der einheitlichen Behördenrufnummer 115 wird die Multi-Kanal-Erreichbarkeit zusätzlich zu den bestehenden eGovernment-Angeboten ausgebaut. Dazu kommt eine starke, leistungsfähige Präsenz der Verwaltung vor Ort. Das gibt es für mich im Vergleich nicht überall in der Welt und auch nicht überall in Europa oder den G20 Staaten.
Natürlich geht es immer besser. Für dieses Besser stehen für mich drei Aspekte im Vordergrund weiterer Überlegungen zum Ausbau von eGovernment:
- Die verwaltungsinternen Geschäftsprozesse sind stärker durchgängig zu digitalisieren. Dann können auch die Front-Ends zum Bürger oder zur Wirtschaft leichter im Sinne eines medienbruchfreien eGovernments eingerichtet werden.
- Für das eGovernment ist die „Kunden“-Orientierung auszubauen. Der Nutzer muss stärker in den Mittelpunkt der Planungen von Beginn an gerückt werden. Das erfordert dann aber auch vielerorts in den Verwaltungen einen Kulturwandel, der begleitender Change-Maßnahmen in den Behörden bedarf.
- Das deutsche eGovernment muss sich zukünftig vermehrt in einem europäischen Kontext eingebunden verstehen. Sowohl die wachsenden Anforderungen an eine internationale Integration von Fachverfahren, wie etwa bei einer internationalen Rentenauskunft, als auch die steigenden Abhängigkeiten von europäischen IT-Strategien, zum Beispiel aus einer Fortschreibung der Lissabon-Agenda, erfordern einen Blick über den nationalen Tellerrand für die eigenen eGovernment-Planungen. Das ist für mich aber nicht nur ein Nehmen. Dazu zähle ich auch ein Geben, wenn beispielsweise deutsche Standards im Datenschutz aber auch die bereits erwähnte 115 oder P23R mit in die europäische Diskussion eingebracht werden
Diese drei Aspekte will ich auch gerne vor dem Hintergrund des eGovernment-Gesetzes weiter diskutiert sehen. Nicht zuletzt ist doch jede Behörde für sich gefordert, sich auf das Gesetz vorzubereiten.
Dazu empfehle ich, die mit dem Gesetz einhergehenden technischen, personellen und organisatorischen Anforderungen frühzeitig in den Blick zu nehmen.
Ein realistisches, europäisches eGovernment-Ranking nach einer fundierten Methode, das auch die Vielschichtigkeit der deutschen Verwaltung berücksichtigt, ergibt sich dann von selbst.
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