Digitalisierungsstrategie 2.0 Nordrhein-Westfalen legt nach
Seit 2019 erlegt sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalens (NRW) Digitalisierungsziele im Rahmen ihrer ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie auf. Diese Strategie begreift das bevölkerungsreichste Bundesland als „wichtigen Treiber für die Aufholjagd Nordrhein-Westfalens in Sachen digitaler Infrastruktur und digitaler Verwaltung.“
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Nachdem sich nun alle kurz-, mittel- und langfristigen Ziele in der Umsetzung befänden – so das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW –, stellte das Land im November eine neue Digitalisierungsstrategie vor.
„Die Digitalstrategie 2.0 zeigt: Wir meinen es ernst mit der Digitalisierung und haben nicht nur von einer Aufholjagd gesprochen, sondern sie auch mit ehrgeizigen Zielen vorangetrieben. Mit der Fortschreibung unserer Digitalstrategie halten wir das Tempo hoch und zeigen, wie Nordrhein-Westfalen in möglichst vielen Feldern digitaler Vorreiter in Deutschland werden kann“, so Andreas Pinkwart, der zuständige Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die Digitalisierungsstrategie 2.0, die „das Ergebnis eines breit angelegten Beteiligungsprozesses“ sei, soll eine Verschärfung der vorherigen Digitalisierungsstrategie des Landes NRW darstellen. Bei der Gestaltung wurden „Denkanstöße vieler interessierten Bürgerinnen und Bürger sowie Expertinnen und Experten aufgegriffen“, so das Digitalministeriums von Nordrhein-Westfalen.
Zu den Kernpunkten der Digitalisierungsstrategie 2.0 zählen unter anderem der Ausbau eines Start-up-Ökosystems in Nordrhein-Westfalen, die Entwicklung digitaler Anwendungen für das Bildungswesen, die Gründung eines Kompetenzzentrums Quantencomputing Nordrhein-Westfalen, der weitere Ausbau des 5G-Netzes und einer LTE-Infrastruktur sowie die Vollendung des digitalen Bürgeramts, in dem Bürger Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen online abrufen können.
Zur neuen Digitalisierungsstrategie gehört auch die Definition der Leitlinien für erfolgreiche Digitalisierungsvorhaben. In NRW lautet die Kernaussage dieser Leitlinien: „Digitalisierung muss in den Dienst der Menschen und der Gesellschaft gestellt werden“. Demnach müssen die Privatsphäre und die Rechte der Menschen geschützt werden, die Digitalisierung muss zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und die digitalen Angebote müssen barrierefrei und diskriminierungsfrei gestaltet werden.
Wirtschaft und Arbeit
Im Bereich Wirtschaft und Arbeit steckt sich Nordrhein-Westfalen ebenfalls ambitionierte Digitalisierungsziele. So will das viertgrößte Bundesland Deutschlands zu einem Hot-Spot für digitale Start-ups werden. Dafür möchte das Land seine Wagniskapitalinvestitionen erhöhen und Gründerstipendien vergeben.
Ob das reicht, um aus Nordrhein-Westfalen einen Start-up-Hot-Spot zu machen wird die Zukunft zeigen. Schließlich müssen diese Förderprogramme auch in der Gründerszene bekannt sein, um geeignete Bewerber nach NRW zu locken beziehungsweise diese in NRW zu halten.
Laut dem Digitalisierungsindex der Telekom von 2018 war eines der großen Probleme – in NRW, wie auch im Rest der Bundesrepublik – die kaum vorhandene Bekanntheit von regionalen Förderprogrammen und -maßnahmen. Es bleibt also abzuwarten, ob und wie das Bundesland NRW die Bekanntheit seiner Förderprogramme steigern kann.
Bildung und Forschung
Voraussetzung für eine gelungene Digitalisierung ist nicht nur die technische Ausstattung. Digitalisierung muss auch von der Bevölkerung gelebt und an alle Gesellschaftsschichten vermittelt werden. Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen ist deshalb mindestens genauso wichtig wie die Bereitstellung der benötigten technischen Grundausstattung. NRWs neue Digitalisierungsstrategie 2.0 legt – vermutlich aus Kenntnis der enormen Relevanz von digitaler Bildung – einen besonderen Fokus auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Dafür sollen Lehrkräfte in NRW spezielle Weiterbildungen erhalten und die Schulträger werden – so heißt es in der Digitalisierungsstrategie 2.0 – vom Land im Bereich Personalbedarf und IT-Support unterstützt.
Außerdem sollen sich an allen weiterführenden Schulen Schüler und Schülerinnen in Zukunft als Medienscouts ausbilden lassen können. Die Aufgabe eines solchen Medienscouts ist es dann, Mitschüler beim Erwerb und Lehrkräfte bei der Vermittlung von Medienkompetenzen zu unterstützen.
Ein solches Projekt kann aber nur gelingen, wenn qualifiziertes Personal die Ausbildung der Medienscouts übernimmt. Außerdem müssen auch Ausstattung und Infrastruktur der Schulen vergleichbar sein, um eine digitale Spaltung innerhalb der Schülerschaft zu vermeiden. Die Digitalisierungsstrategie 2.0 spricht diesen Punkt auch explizit an.
Welche öffentlichen Stellen und Behörden für die landesweit vergleichbare Ausstattung der Schulen zuständig sein werden, bleibt noch unklar. Weiterhin bleibt auch offen, wie die Ausstattung der Schulen praktisch umgesetzt werden soll.
Auch fernab der Schule ist die Vermittlung von digitalen Kompetenzen ein wichtiger Handlungsbereich, um die Gesellschaft fit für das digitale Zeitalter zu machen. Dafür möchte NRW das Veranstaltungsformat „Forum 60plus“ um eine digitale Komponente erweitern. Damit sollen Menschen über 60 in ihren örtlichen Seniorenvertretungen direkt angesprochen und für das digitale Zeitalter fit gemacht werden.
In Sachen Forschung setzt Nordrhein-Westfalens Digitalisierungsstrategie 2.0 auf die Stärkung von Netzwerken und Kooperation, die (digitale) Qualifizierung von zukünftigen Forschern, die Stärkung der Infrastruktur und die Schaffung von Rahmenbedingungen für marktreife Innovationen.
Außerdem soll an sieben Standorten – Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Jülich, Paderborn und Siegen – das Kompetenzzentrum Quantencomputing Nordrhein-Westfalen gegründet werden und das Bundesland bis Ende 2023 damit zum „Technologieführer im Quantencomputing“ machen.
Mobilität und digitale Infrastruktur
In Sachen Mobilität und digitale Infrastruktur plant das Bundesland NRW die Nutzung und Vernetzung von Mobilitätsdaten, den Ausbau von Zukunftstechnologien mitsamt den dafür benötigten Rechtsrahmen und Strukturen sowie die Ausweitung der Angebote in der Mobilitätsbranche.
In Nordrhein-Westfalen soll ein Check-In/Be-Out-System im öffentlichen Nahverkehr eingeführt werden. Ein solches System wird im Frühjahr 2022 bereits in Hamburg eingeführt. Dabei kann der Fahrgast bei Fahrtbeginn mit einem öffentlichen Verkehrsmittel via Smartphone einchecken. Das Fahrtende wird dann – von einer entsprechenden App – selbstständig erkannt. Am Ende zahlt der Fahrgast dann nur für die von ihm zurückgelegte Strecke.
In Sachen digitaler Infrastruktur stehen vor allem der Ausbau von Gigabitnetz und Mobilfunknetz auf der nordrhein-westfälischen To-do-Liste. Bis 2022 sollen in NRW alle Gewerbegebiete und Schulen über einen Gigabit-Anschluss verfügen. Bis 2025 möchte NRW das eigene Breitbandnetz so weit ausgebaut haben, dass überall – auch im ländlichen Raum – die Gigabitfähigkeit ermöglicht werden kann. Eine „weitgehend flächendeckende 5G-Infrastruktur“, so das Digitalisierungsministerium NRW, und eine Verbesserung der LTE-Versorgungsqualität sollen bis Ende 2024 erreicht werden.
Digitalisierung der Verwaltung
Für die Bereiche eGovernment und Open Government stellt sich NRW eine besonders gute Bilanz aus: Das Bundesland nehme hier eine führende Rolle ein. Um diesen „Führungsanspruch“ auch weiterhin gerecht zu werden, möchte die Landesregierung NRW bis zum 1. Juli 2024 ein (erneutes) Normenscreening durchführen, das herausfinden soll, welche Schriftformhindernisse es noch gibt und welche davon aus dem Weg geräumt werden können.
Die weiteren Ziele für den Bereich eGovernment sind zeitig geplant und sollen rasch nacheinander umgesetzt werden: Zum Jahresende 2021 soll in NRW eine Softwarelösung zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen im Gesundheitsbereich eingeführt werden. Im kommenden Jahr (2022) soll das „digitale Bürgeramt NRW“ in den Vollbetrieb gehen. Das digitale Bürgerportal soll es den Bürgern ermöglichen, auf die digitalen Dienste der Verwaltung digital – von zu Hause aus – zugreifen zu können.
„Die Bürgerinnen und Bürger hinterlegen ihre Daten einmalig im angeschlossenen Servicekonto. Hierzu ist nichts weiter als ein neuer Personalausweis und eine vom BSI zertifizierte, kostenlos erhältliche App für das Smartphone erforderlich. Damit ist eine umfassende Möglichkeit geschaffen, sich digital auszuweisen. Die Anmeldung über das Servicekonto kann die Unterschrift auf Papier ersetzen und ermöglicht so eine vollständige, digitale Antragstellung“, heißt es aus NRW.
Auch die Ziele im Open Government werden im Papier zur Digitalisierungsstrategie 2.0 ausführlich beschrieben. So möchte das Digitalisierungsministerium von Nordrhein-Westfalen noch im laufenden Kalenderjahr (2021) allen Behörden des Landes und der Kommunen ein zentrales Bürgerbeteiligungsportal zu Verfügung stellen, um mehr Öffentlichkeitsbeteiligungen zu ermöglichen.
Im kommenden Jahr (2022) soll ein Weiterbildungsprogramm zum Ausbau von digitalen Kompetenzen der Beschäftigten in der Landesverwaltung eingeführt werden. Des Weiteren soll eine Open-Source-Plattform an den Start gehen. Diese wurde in Kooperation mit dem Bund und Baden-Württemberg entwickelt. Die Plattform diene dazu, erste Softwareanwendungen von und für Verwaltungen zur Verfügung zustellen.
Datenschutz und Sicherheit
Um die Digitalisierung erfolgreich weiter vorantreiben zu können, müssen auch die Aspekte Datenschutz und Sicherheit weitergedacht werden. Dafür schweben dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Digitales hauptsächlich Sensibilisierungsprojekte für Bürger und Unternehmen vor. Die dafür notwendige Informationsgrundlage soll durch einen jährlichen „Bericht zur Cybersicherheit in Nordrhein-Westfalen“ verbessert werden.
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