EU-Medizinprodukteverordnung „Neben Medtech-Herstellern sind Zulieferer, Vertreiber und Benannte Stellen betroffen“

Autor / Redakteur: / Kathrin Schäfer

Das EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf eine neue EU-Verordnung für Medizinprodukte geeinigt. Brustimplantate, Insulinpumpen, künstliche Gelenke und Herzschrittmacher sollen besser kontrolliert werden. Welche praktische Bedeutung die neue Medizinprodukte-Verordnung haben wird, dazu hat Devicemed den Rechtsanwalt und Medizinprodukterecht-Experten Dr. Roland Wiring befragt.

Anbieter zum Thema

„Die Änderungen dürften für zahlreiche Marktteilnehmer erheblichen Mehraufwand verursachen“, Dr. Roland Wiring, Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle.
„Die Änderungen dürften für zahlreiche Marktteilnehmer erheblichen Mehraufwand verursachen“, Dr. Roland Wiring, Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle.
(Bild: CMS)

Herr Dr. Wiring, mit welchen Änderungen der neuen Medizinprodukte Verordnung müssen sich Medizintechnikunternehmen auseinandersetzen?

Die Reform der Medizinprodukteverordnung wird zu einer Reihe von Änderungen auf verschiedenen Ebenen führen. Praktisch wichtige Kernpunkte sind: Strengere Anforderungen an die Sicherheit von Medizinprodukten, eine größere Transparenz, die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Produkte über die gesamte Lieferkette und verschärfte Kontrollen durch Benannte Stellen einschließlich unangekündigter Audits. Zwar wird es weiterhin keine staatliche Zulassung von Medizinprodukte geben. Die Änderungen dürften dennoch erheblichen Mehraufwand für zahlreiche Marktteilnehmer auf verschiedenen Stufen – Zulieferer, Hersteller, Vertreiber – verursachen.

Medizintechnikunternehmen sollten sich daher rechtzeitig mit den Neuerungen vertraut machen und, soweit im konkreten Fall erforderlich, interne Prozesse anpassen.

Einige Beispiele: Nach der neuen Verordnung sollen Medizinprodukte strengere klinischen Nachweise erbringen müssen als bisher. Grob gesagt muss künftig bei Medizinprodukten ähnlich wie bei Arzneimitteln grundsätzlich ein klinischer Nachweis erbracht werden, dass das Produkt die beschriebene Wirkung tatsächlich erzielt. Insbesondere bei Produkten höherer Risikoklassen werden die Hersteller mehr Daten zu klinischen Prüfungen liefern müssen. Das sollte bei Produktentwicklungen frühzeitig berücksichtigt werden.

Kontrovers diskutiert wurde bis zuletzt die Einführung des so genannten Scrutiny Verfahrens. Bestimmte Hochrisikoprodukte sollen vor ihrem Inverkehrbringen einer zusätzlichen Prüfung von Sachverständigen unterzogen werden können. Dieses an bestimmte Fristen gebundene Verfahren ist in das Konformitätsbewertungsverfahren der Benannten Stellen eingebettet. Findet es Anwendung, muss die Benannte Stelle die entsprechende wissenschaftliche Stellungnahme bei ihrer Entscheidung gebührend berücksichtigen – was dazu führen kann, dass ein Zertifikat nur mit Einschränkungen oder nur unter Auflagen erteilt wird.

Die Verordnungstexte enthalten zudem detaillierte Bestimmungen über die Rückverfolgbarkeit und die Qualitätskontrolle von bereits in Verkehr gebrachten Produkten. Verkürzt gesagt hat der Hersteller die Weiterverfolgung der Qualität, der Leistung und der Sicherheit seiner Produkte zu gewährleisten. Hersteller und Einführer von Medizinprodukten müssen ihre Produkte mit einer einmaligen Produktnummer (Unique Device Identification - UDI) kennzeichnen, sich selbst und die von ihnen in der Europäischen Union in den Verkehr gebrachten Produkte in einer zentralen europäischen Datenbank – EUDAMED – registrieren, und stets feststellen können, wer ihnen ein Produkt geliefert hat und wen sie damit beliefert haben. Für Implantate soll ein Implantatpass eingeführt werden.

Wie bewerten Sie den Kompromiss aus rechtlicher Sicht? Geht die Patientensicherheit zu Lasten der mittelständischen Medtech-Branche?

Berücksichtigt man die verschiedenen Vorschläge aus unterschiedlichen Richtungen, die seit der Vorlage des ersten Entwurfs der Europäischen Kommission aus dem September 2012 gemacht wurden, erscheint der jetzt verabschiedete Text zumindest aus rechtlicher Sicht als durchaus sachgerechter Kompromiss. Die Vorkehrungen zur Verstärkung der Patientensicherheit werden deutlich erhöht, was zu Mehraufwand bei den Marktteilnehmern, insbesondere den Herstellern, führen dürfte.

Allerdings sind eine Reihe von Punkten im deutschen Recht ohnehin schon verankert, so dass der konkrete Umstellungsbedarf jeweils genau zu ermitteln ist. Schließlich sind einige Ausnahmen für kleine und mittelständische Unternehmen vorgesehen, um unverhältnismäßige Beanspruchungen u vermeiden.

Weiterlesen auf der nächsten Seite

(ID:44148455)