IT im Gesundheitswesen Mehr Tempo bei der Digitalisierung

Autor Susanne Ehneß

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Eckpunkte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens vorgelegt.

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IT hält Einzug im Gesundheitswesen, aber offenbar nicht schnell genug
IT hält Einzug im Gesundheitswesen, aber offenbar nicht schnell genug
(Bild: ra2-studio/Fotolia.com)

„Die Digitalisierung verändert nahezu all unsere Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Das betrifft die Industrie und den Mittelstand, aber auch die Gesundheitswirtschaft, die einen der größten deutschen Wirtschaftssektoren darstellt“, äußerte sich Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bei Vorlage eines Eckpunktepapiers, das den IT-Einsatz im Healthcare-Bereich vorantreiben soll.

Etwa 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steuert laut Eckpunktepapier die Gesundheitswirtschaft bei, zudem sei sie in den letzten Jahren stärker und stabiler gewachsen als die Gesamtwirtschaft. „Hierzu trägt vor allem der Bereich der industriellen Gesundheitswirtschaft bei, wo hochinnovative Produkte zur Behandlung, Diagnose und Therapie entwickelt werden“, heißt es im vorgelegten Papier.

Aber: Die Gesundheitswirtschaft zählt auch zu den am wenigsten digitalisierten Branchen. Der Zugang zum Gesundheitsmarkt sei gerade für Start-ups schwierig. „Wenn wir es schaffen, Hemmnisse abzubauen und Innovationen Luft zum Atmen zu geben, bietet die Digitalisierung gerade in diesem Bereich viele Chancen. Es ist wichtig, innovativen Start-ups den Zugang zum Gesundheitsmarkt, insbesondere zur Regelversorgung, zu erleichtern. Wir sollten lokale Experimentierräume ermöglichen und digitalisierte, ganzheitliche Lösungen fördern sowie die digitale Infrastruktur verbessern. So können wir die Innovationen zum Wohle der Menschen nutzen“, betonte Zypries.

„Insgesamt lässt das Tempo der Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft noch zu wünschen übrig“, wird im Eckpunktepapier moniert. „Gerade angesichts der Herausforderungen des demographischen Wandels sind in diesem Bereich aber bessere Rahmenbedingungen für digitale Angebote und Produkte so wichtig.“

Forderungen

Folgende Themen nennt das Bundeswirtschaftsministerium, um die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft zu beschleunigen:

  • Unterstützung von digitalen, ganzheitlichen Lösungen: Die deutsche Gesundheitswirtschaft produziert weltweit gefragte hochwertige technische Produkte. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung hin zu einer digitalen Produktions- und Plattformökonomie sind jedoch vermehrt digitalisierte, ganzheitliche Lösungen entscheidend. Deren Entwicklung soll durch Förderprogramme unterstützt werden, um die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Gesundheitswirtschaft dauerhaft zu sichern.
  • Verbesserung des Weges in die Regelversorgung: Start-ups mit einem Fokus auf der Gesundheitsbranche experimentieren mit innovativen digitalen Angeboten und Produktideen, Inkubatoren haben die Gesundheitsversorgung entdeckt und etablierte Unternehmen wie Krankenkassen suchen Kooperationen mit neuen Ideengebern. Der Zugang in die Regelversorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen und damit in den ersten Gesundheitsmarkt ist in Deutschland langwierig, sehr teuer, komplex und wenig transparent. Der Prozess stellt damit eine zentrale Hürde für innovative Produkte der Gesundheitswirtschaft dar.
    Deshalb soll für digitale Produkte ein transparenter Weg in die Regelversorgung aufgezeigt werden, um Innovationen zu unterstützen. Hierfür braucht es beim Gemeinsamen Bundesausschuss und Bewertungsausschuss verbindliche Fristen und eindeutige Ansprechpartner. Die Zulassungsbehörden im Gesundheitssystem sollen einen offenen und kontinuierlichen Dialog mit Start-ups etablieren. Orientieren kann man sich hier am Beispiel der BaFin, die als zentrale Zulassungsbehörde der Finanzindustrie auch Service für FinTech-Start-ups bietet.
  • Unterstützung beim Zugang zu Risikokapital: Im Bereich der Gesundheitswirtschaft erschwert der komplexe Marktzugang den Zugang zu Risikokapital. Oftmals können eHealth-Start-ups nur dann erfolgreich Risikokapital generieren, wenn sie sich von vornherein nicht (nur) auf den deutschen Markt konzentrieren. Darüber hinaus kann ein Business Case oft nur auf der Basis von groben Schätzungen aufgestellt werden, da die Höhe der Gebührenziffer für die Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung in einem wenig transparenten Verfahren erfolgt.
    Bei der Festlegung der Gebührenziffer durch den Bewertungsausschuss sollen betroffene Unternehmen und Verbände im Vorfeld beteiligt werden.Die Beratungen sollen in einem transparenten Verfahren erfolgen, um sicherzustellen, dass auch neue digitale Angebote und Produkte leistungsgerecht entlohnt werden. Dies setzt gleichzeitig für die Ärzteschaft einen wichtigen Anreiz zur Nutzung dieser Innovationen.
  • Schaffung von Experimentierräumen: Der Zugang von innovativen Produkten in die Regelversorgung erfordert einen Nachweis über ihren Nutzen und ihre Wirtschaftlichkeit. Die dafür erforderlichen kostspieligen und langwierigen klinische Studien stellen für kleine Unternehmen und Start-ups eine erhebliche Hürde dar. Es soll deshalb geprüft werden, ob Studien für den Weg in die Regelversorgung für kleine Unternehmen und Start-ups gefördert werden können. Zudem sollen Experimentierräume geschaffen werden, bei denen durch temporäre und lokal begrenzte Veränderung von Regularien Innovationen ausprobiert werden können. Die Ergebnisse und Daten aus der Erprobung sollen auch als Nachweise über den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit der Innovationen genutzt werden können.
  • Förderung der digitalen Infrastruktur von Krankenhäusern: Investitionen in Krankenhäuser werden von den Bundesländern getragen. Investitionen in die IT-Infrastruktur stehen dabei an hinterer Stelle. Universitätskliniken haben eine Vorreiterrolle beim Einsatz vonInnovationen, da modernste Geräte und Verfahren in Diagnose und Behandlung eingesetzt werden. Investitionen der Universitätskliniken in die digitale Infrastruktur sollen mit 500 Millionen Euro gefördert werden. Aufgrund der Vorreiterrolle von Krankenhäusern wird damit eine Standardisierung befördert, die auf den ambulanten Bereich ausstrahlen kann. Durch die größere Transparenz und Einheitlichkeit von Standards steigt so gerade für kleinere Unternehmen und Start-ups die Möglichkeit, kompatible Anwendungen zu entwickeln. Zudem können Effizienzgewinne in der Versorgung erreicht werden.
  • Bessere Nutzung von Gesundheitsdaten: Daten aus der Versorgung stehen nur sehr begrenzt und stets rein zweckgebunden für die Versorgungsforschung zur Verfügung (§ 75 SGB X). Eine Verknüpfung von Daten, die vom Patienten selber erhoben werden, mit Daten aus dem professionellen medizinischen Bereich, ist derzeit nicht möglich. Dies hemmt die Entwicklung für innovative Geschäftsmodelle auf der Basis von Big Data zur Verbesserung der bestehenden Diagnose- und Therapieverfahren. Forschungsdaten, klinische Daten und Daten aus der Patientenversorgung sollen für die Forschung und die Patientenversorgung unter strikter Wahrung des Schutzespersonenbezogener Patientendaten bereitgestellt und verknüpft werden. Die Einrichtung eines integrierten Datenraums auf der Basis von offenen Normen, Standards und Schnittstellen soll angestrebt werden.
  • Einheitlicher Datenschutz: Der Datenschutz im Gesundheitsbereich ist gegenwärtig durch verschiedene Gesetze (u. a. Landesdatenschutzgesetze, Bundesdatenschutzgesetz, Sozialgesetzbücher) geregelt. Durch die Vielzahl an Regularien sind für Unternehmen und Organisationen die gesetzlichen Anforderungen für den Umgang mit Gesundheitsdaten unklar. Bundeseinheitliche, transparente und verbindliche Datenschutzregelungen sollen unter Beachtung der EU-Datenschutzgrundverordnung beim Umgang mit Gesundheitsdaten umgesetzt werden.
  • Erleichterungen für telemedizinische Anwendungen: Seit April 2017 ist Telemedizin in gewissem Umfang Teil der gesetzlichen Regelversorgung. Durch die Berufsordnung für Ärzte ist jedoch festgelegt, dass ein physischer Erstkontakt die telemedizinischen Leistungen ergänzen muss (sog. Fernbehandlungsverbot). Modellprojekte, beispielsweise in Baden-Württemberg, ermöglichen nun den Erstkontakt zwischen Arzt und Patient auch per Videosprechstunde. Auch eine Fernverschreibung von Arzneimitteln aufgrund von § 48 Arzneimittelgesetz kann nur sehr eingeschränkt vorgenommen werden (sog. Fernverschreibungsverbot).
    Auf Basis der Erkenntnisse derzeit laufender Modellprojekte soll das Gespräch mit der Bundesärztekammer zur Anpassung des Fernbehandlungsverbots in der Musterberufsordnung gesucht werden. Zudem soll eine bundesweite Anpassung des Fernverschreibungsverbots geprüft werden.
  • Einheitliche Standards für Anwendungen der Telematikinfrastruktur: 2018 sollen mit Etablierung der Telematikinfrastruktur die Voraussetzungen für den sektorenübergreifenden Austausch von Gesundheitsdaten geschaffen sein. Jeder Patient soll ein gesetzlich festgelegtes Recht haben, jederzeit auch digital auf seine Gesundheitsdaten zugreifen und das Zugriffsrecht Dritten einräumen zu können. Die Standards und Vorgaben u. a. für die elektronische Patientenakte sollen transparent und einheitlich sein, damit grundsätzlich jedes Unternehmen die Möglichkeit erhält, eine gesetzeskonforme elektronische Patientenakte anzubieten.

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