Johannes Ludewig zum eGovernment-Gutachten des NKR Gesucht ist eine Kultur der Zusammenarbeit
In seinem eGovernment-Gutachten „eGovernment in Deutschland – Wie der Aufstieg gelingen kann", fordert der Nationale Normenkontrollrat (NKR) eine umfassende Neuorientierung im deutschen eGovernment. eGovernment Computing sprach mit dem NKR-Vorsitzenden Dr. Johannes Ludewig über die Hintergründe.
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Für Aufregung hatte insbesondere die Forderung des Gutachtens nach einem eGovernment-Pakt auf höchster politischer Ebene gesorgt. Im Gutachten hieß es dazu: „Notwendig ist eine Vereinbarung auf höchster politischer Ebene zwischen Bund, Ländern und Kommunen für einen eGovernment-Pakt Deutschland. Kern einer solchen Vereinbarung sollte die Einigung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder sein, zu einer verbindlicheren und weitreichenderen Zusammenarbeit zu gelangen, als dies im Kontext des IT-Planungsrates bisher gewollt war.“
Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass nur ein solcher eGovernment-Pakt in der Lage ist, die strukturellen Defizite im deutschen eGovernment zu beseitigen und „wirksame Entscheidungs-, Steuerungs- und Finanzierungsstrukturen“ zu schaffen, damit „gemeinsame digitale Lösungen über die Verwaltungsebenen hinweg entwickelt“ werden können.
Zu den Details äußert sich Dr. Johannes Ludewig im folgenden Interview.
Herr Ludewig, die Gutachten des Nationalen Normenkontrollrats werden zu etwas wie dem schlechten Gewissen von eGovernment in Deutschland. Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Untersuchung?
Ludewig: Wir haben mit dem Gutachten einen sehr konkreten Vorschlag vorgelegt, wie wir die Strukturen der IT-Zusammenarbeit in Deutschland so ertüchtigen, dass wir in absehbarer Zeit die wichtigsten Verwaltungsleistungen vollständig und einheitlich digitalisieren können. Bisherige Gutachten, und dazu zählt auch unser letztes aus dem November 2015, haben sich vor allem darauf konzentriert, was in Sachen eGovernment alles nicht klappt. Wir haben letztes Jahr zudem aufgezeigt, wie sehr sich wirksames eGovernment lohnen würde, wenn die Ebenen stärker kooperierten.
Im aktuellen Gutachten zeigen wir, was getan werden muss, damit das gelingt. Im Fokus stehen dabei keine technologischen Fragen. Stattdessen konzentrieren wir uns in unserem Gutachten darauf, wie eine neue Qualität der föderalen Zusammenarbeit organisiert werden kann, wie wir also die bestehenden Institutionen aufstellen und ergänzen müssen, um möglichst schnell Anschluss an die eGovernment-Spitzenreiter wie beispielsweise Österreich zu schaffen. Dafür brauchen wir die Selbstverpflichtung von Bund, Ländern und Gemeinden durch einen eGovernment-Pakt Deutschland.
Als eine der Konsequenzen schlägt das Gutachten den von Ihnen gerade angesprochenen „eGovernment-Pakt“ vor. Dieser soll „auf höchster politischer Ebene zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ in Form eines Staatsvertrages die Entwicklung beschleunigen. Wie könnten die Details eines solchen eGovernment-Paktes aussehen?
Ludewig: Die Bundeskanzlerin einigt sich mit den Ministerpräsidenten und den Kommunalen Spitzenverbänden sowie Vertretern aus der Wirtschaft auf bestimmte Grundsätze einer besseren IT-Zusammenarbeit. Solche Grundsätze – zum Beispiel konsequente Nutzerfreundlichkeit, offene und interoperable Standards, gemeinsame Basisinfrastrukturen – werden in einem Digitalen Servicestandard festgelegt, wie es ihn beispielsweise in Großbritannien gibt.
Des Weiteren bedarf es einer Einigung auf ein gemeinsames Digitalisierungsbudget. Damit sollen all diese „Einer-für-Alle“-Maßnahmen, finanziert werden. Ich glaube, hier sollte der Bund in Vorleistung gehen und für eine kräftige Anschubfinanzierung sorgen.
Unsere 2015er Gutachter schätzen einen Investitions- und Betriebsmittel-Bedarf von 1,7 Milliarden Euro für die vollständige Digitalisierung der 60 wichtigsten Verwaltungsleistungen, gerechnet auf einen Fünfjahres-Zeitraum. Diese Selbstverpflichtung, der eGovernment-Pakt, muss in einem neu gefassten IT-Staatsvertrag fest verankert werden.
Dazu gehört auch, die bisherigen „Kann“-Formulierungen zunehmend in „Soll“- oder sogar „Muss“-Formulierungen umzuwandeln. Eine engere Zusammenarbeit in IT-Fragen muss als gemeinsame Pflicht verstanden werden. Dazu gehört auch, dass alle Beteiligten ein Stück Eigenständigkeit an gemeinsame Institutionen delegieren, damit man leichter zu Ergebnissen kommt, von denen dann wiederum alle profitieren.
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