Elektronische Gesundheitskarte dümpelt weiter Gematik-Strukturen verhindern Projektfortschritte

Redakteur: Manfred Klein

Als Ende Oktober die AOK Rheinland/Hamburg die Auslieferung der elektronischen Gesundheitskarte in der Pilotregion Nordrhein stoppte, war die Aufregung groß. Die AOK hatte als Grund den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung genannt. In diesem ist von einer Bestandsaufnahme die Rede, die vor einem weiteren Ausbau der Infrastruktur vorgenommen werden müsse.

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Nachdem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler klargestellt hatte, dass nicht die Gesundheitskarte, sondern das Geschäftsmodell der Betreibergesellschaft Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) auf den Prüfstand soll, hatte sich die Lage zunächst etwas entspannt. Die AOK wird in etwa drei Wochen wieder mit der Ausgabe der Gesundheitskarte beginnen, da durch „die Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler die wirtschaftlichen Bedenken der AOK vorläufig aus der Welt geschafft sind“.

Doch bleibt Verunsicherung, da weder das Schicksal der Gesundheitskarte noch das der Gematik geklärt ist.

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Bestandsaufnahme soll klären, ob nachgebessert werden muss

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums zu eGovernment Computing: „Bei allen Beteiligten besteht Konsens, dass unser Gesundheitswesen eine sichere und an den praktischen Bedürfnissen ausgerichtete Telematikinfrastruktur benötigt, die den Austausch medizinischer Daten im Bedarfsfall ermöglicht. Der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten und das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten stehen dabei im Vordergrund. Diese Ziele finden sich auch im Koalitionsvertrag. Es geht jetzt darum, schnell eine Bestandsaufnahme mit den Beteiligten durchzuführen, um zu klären, ob und gegebenenfalls an welcher Stelle das Projekt unter den vorgenannten Kriterien neu ausgerichtet werden muss. Minister Rösler hat ausdrücklich klargestellt, dass der Basis-Rollout, bei dem die elektronische Gesundheitskarte zunächst die Funktionen der Krankenversichertenkarte übernimmt, hiervon unberührt bleibt.“

Zu Gematik erklärte die Sprecherin: „Der Aufbau der Telematikinfrastruktur und die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gehören zu den Aufgaben der Selbstverwaltungsorganisationen im Gesundheitswesen. Es ist bekannt, dass die bisherigen Entscheidungsstrukturen in der Selbstverwaltung in der Vergangenheit mehrfach dazu geführt haben, dass für den Projektfortschritt erforderliche Beschlüsse nicht gefasst werden konnten. Auch die Selbstverwaltung hat sich dieser Problematik angenommen und unser Ziel ist jetzt, gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen zu finden, die die Selbstverwaltung in die Lage versetzt, zukünftig ihre Aufgaben eigenständig bewältigen zu können.“

Die Gematik hat bis Redaktionsschluss nicht Stellung genommen. Und die Kritik der Ärzte wächst. Dr. Klaus Bittmann, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes: „Die Koalition will die elektronische Gesundheitskarte auf den Prüfstand stellen. Daher ist es unbegreiflich, dass Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen (KV) mit starrem Tunnelblick die Einführung dieses Milliardengrabes vorantreiben. Besonders unverständlich ist, dass die eigene Interessenvertretung der KV unablässig die Werbetrommel für die Installation neuer Lesegeräte rührt – trotz Widerstand und Kritik aus der Ärzteschaft, trotz aller Bedenken aus den Testregionen, trotz fragwürdiger Sinnhaftigkeit und trotz fehlender Kosten-/Nutzenbewertung.“

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