ISPRAT-Whitepaper Facebook und Twitter im Verwaltungseinsatz
Eine Behörde will Facebook nutzen oder twittern – welche Regeln braucht sie dafür? Immer mehr Verwaltungen sind im Web 2.0 aktiv oder planen, es einzusetzen. Sie betreten damit Neuland. ISPRAT hat sich mit den damit verbunden Fragen beschäftigt und das Whitepaper „Social Media Guidelines“ veröffentlicht.
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Die aktuelle Kritik von Datenschützern an Facebook zeigt Defizite in der bestehenden Gesetzeslage auf und schürt Verunsicherung unter den Nutzern. Neben der Frage des „Ob“ – also: Darf die Öffentliche Verwaltung überhaupt Dienste privater Anbieter nutzen, die über datenschutzrechtlich zumindest problematische Funktionen verfügen? – sind auch die Modalitäten des Web-2.0-Einsatzes derzeit Gegenstand einer lebhaften Debatte.
Zum Teil wird zwar der Eindruck vermittelt, ein besonderer Regelungsbedarf oder ein Bedürfnis, sich mit dem Phänomen „Web 2.0 in der Öffentlichen Verwaltung“ zu befassen, bestehe nicht, zumal gar keine entsprechenden Aktivitäten existierten oder diese unter Rückgriff auf bestehende Regelungen zur Verwaltungskommunikation bewältigt werden könnten; umso erstaunlicher das große Interesse, welches seitens der Öffentlichen Verwaltung an wissenschaftlichen Beiträgen, Vorträgen und Informationsveranstaltungen zu diesem Thema besteht.
In der Tat ist nämlich ein Trend zu konstatieren, dass sich auch Öffentliche Verwaltungen ins Web 2.0 begeben – in welcher Art und Weise auch immer, ob man diese Entwicklung nun begrüßt oder für entbehrlich hält. „Offiziell“ werden Web-2.0-Medien insbesondere für die Öffentlichkeits- und Pressearbeit eingesetzt. Parallel dazu haben aber auch einzelne Verwaltungsmitarbeiter – aus allen Hierarchieebenen – begonnen, diese Tools für ihre Arbeit zu nutzen.
Inspiriert von „Social Media Guidelines“ von Unternehmen der Privatwirtschaft muss daher, bevor der Schritt in die sozialen Medien vollzogen wird, unter anderem geklärt werden: Wer darf wie in sozialen Netzwerken aktiv sein? Welchen besonderen Verhaltensrichtlinien unterliegen öffentliche Einrichtungen und ihre Mitarbeiter? Welche strategischen Ziele sollen durch die Web-2.0-Präsenz erreicht werden?
Eine Differenzierung der Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 für die Verwaltung zeigt das vielfältige Spektrum, das die neuen Medien bieten. Zugleich unterstreicht es, dass es nicht die Lösung, die eine Guideline gibt, die für jede Verwaltung in gleicher Weise sachgerecht ist. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit bieten sich vor allem folgende Einsatzformen an:
- soziale Medien als Instrument der klassischen Öffentlichkeits- und Pressearbeit,
- die Einbindung sozialer Medien in Angebote zur Bürgerinformation,
- die Integration sozialer Medien in interne Arbeitsprozesse sowie
- die Kommunikation einzelner Behördenmitarbeiter zu dienstlichen Themen mit einer interessierten Fachöffentlichkeit („fachlicher Diskurs“).
Daneben bleibt selbstverständlich auch die „private Nutzung“ sozialer Medien durch die Angehörigen der Verwaltung möglich (und zulässig), wobei jedoch die immer stärkere Aufhebung der Grenze zwischen „privater“ und „beruflicher Identität“ dazu zwingt, auch diese Nutzung bei der Erarbeitung von Richtlinien zu bedenken oder sogar zu regeln.
Web-2.0 und die spezifischen Bedürnisse der Verwaltung
Aufgrund der Besonderheiten der Web-2.0-Kommunikation lässt sich dieses Phänomen auch nicht vollständig über die bestehenden Regelwerke abbilden. Einige spezifische Merkmale stehen den Grundsätzen einer bürokratischen Verwaltung diametral gegenüber. Die Kommunikation vollzieht sich nicht-hierarchisch, das heißt, sie findet auf allen Ebenen der Öffentlichen Verwaltung statt und es wird auch eine schnelle Reaktion aller Ebenen erwartet. Zudem sind Reaktionszeiten der Regelfall, die die bisherige Behördenorganisation nicht abbilden kann.
Leichtere Durchsuchbarkeit und Verknüpfbarkeit von Einzeläußerungen sowie deren langfristige Verfügbarkeit verursachen besondere Gefahren – beispielsweise eine deutlich größere „Streuwirkung“ von Einzelmeinungen oder eine schnellere (fälschlicherweise vorgenommene) Zurechnung der individuellen Meinungen zur Gesamtorganisation.
Insofern kann die derzeitige Ausgangslage wie folgt skizziert werden:
- Aufgrund der veränderten Gewohnheiten der Internet-Nutzung im privaten wie im geschäftlichen Kontakt wird zunehmend auch von der Öffentlichen Verwaltung verlangt, dass diese die gleichen Kanäle „bedient“.
- In der Öffentlichen Verwaltung sind aber nur selten strategische Überlegungen erkennbar, zu welchen eigenen Zwecken man die neuen Möglichkeiten nutzen kann.
- Dennoch existiert bereits eine Vielzahl von Aktivitäten der Öffentlichen Verwaltung in den sozialen Medien, die Zahl der Accounts von Behörden, aber auch Mitarbeitern, die sich offen zu ihrer dienstlichen Funktion bekennen und in dieser Rolle im Web 2.0 kommunizieren, dürfte täglich steigen.
- Diese Aktivitäten sind (mit Ausnahme der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) kaum intern geregelt, Vorgaben zur konkreten Nutzung existieren nicht.
- Auch der Rückgriff auf bestehende handlungsleitende Vorgaben (etwa Verwaltungsvorschriften zur Behördenkommunikation oder das Beamten- und Dienstrecht) ist nicht geeignet, die mit der Nutzung einhergehenden Risiken sachgerecht zu minimieren.
- Neue, den Besonderheiten des Web 2.0 gerecht werdende Regelwerke existieren noch nicht oder kommen über allgemeine Ausführungen und empfehlenden Charakter nicht hinaus.
Diese Umstände sprechen dafür, einen Diskussions- und gegebenenfalls Erarbeitungsprozess für Social Media Guidelines in den betroffenen Verwaltungen zu initiieren. Das Ziel einer größtmöglichen Akzeptanz kann dabei nur erreicht werden, wenn früh ein enger Austausch mit den Mitarbeitern erfolgt. Insbesondere müssen seitens der Behördenleitung, die eine aktivere Rolle in sozialen Netzen einfordert, folgende Aspekte klar kommuniziert werden:
- die Zielsetzung des Einsatzes der sozialen Medien sowie
- die Zielsetzung der Social Media Guidelines, die gerade nicht dazu dienen, die Mitarbeiter zu „gängeln“ oder ihre Freiheiten zu beschränken, sondern vielmehr aufgrund der Besonderheiten des Web 2.0 eine Risikominimierung sowohl für die Organisation, aber vor allem auch für den einzelnen Mitarbeiter erreichen sollen.
In einem ersten Schritt muss also eine Verständigung auf Leitungsebene über den strategischen Nutzen erfolgen. Im Interesse der weiteren Öffnung und der Kundenfreundlichkeit sollten in jedem Fall die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Bürgerinformation in die sozialen Medien verlagert werden. Für den fachlichen Diskurs bietet sich ein solches Vorgehen – aufgrund der besonderen Risiken dieser Art der Kommunikation – nur für bestimmte Behörden an, wo dies aufgrund der Thematik sachgerecht erscheint.
Der Einsatz von Web-2.0-Anwendungen zur internen Behördenkommunikation erscheint nur regelungsbedürftig, wenn bekannt ist, dass „bedenkliche“ Anwendungen unreglementiert zum Einsatz kommen. In jedem Fall sollte die Öffentliche Verwaltung Vorgaben zur Abgrenzung zwischen dienstlicher und privater Nutzung aufnehmen (selbst wenn die dienstlichen Anwendungsfälle auf ein Minimum reduziert sind) und die Mitarbeiter mit einer expliziten Norm zur privaten Nutzung für die in der „Virtualität“ unverändert geltenden allgemeinen Vorgaben sensibilisieren.
Das Whitepaper Social Media Guidelines steht hier zum Download bereit.
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