Kommentar „Facebook-Präsenz der Bundesregierung verhindert Bemühungen um mehr Datenschutz“
Im Januar hat Facebook die Nutzungsbedingungen geändert. Nun werden auch Daten gespeichert, die Nutzer auf Websites außerhalb von Facebook hinterlassen. Fast gleichzeitig eröffnet die Bundesregierung ein eigenes Facebook-Profil. Ein Kommentar von Martin Kuppinger.
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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Bundesregierung fast zeitgleich mit der Änderung der Facebook-Nutzungsbedingungen eine Präsenz auf dem sozialen Netzwerk gestartet hat. Während auf der einen Seite Bundesjustizminister Heiko Maas dem Bundesverband der Verbraucherzentralen den Rücken bei deren Abmahnung von Facebook stärkt, macht die Bundesregierung ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt den Schritt hin zu einer eigenen Facebook-Präsenz.
Schwer kontrollierbar
Mit den geänderten Nutzungsbedingungen hat Facebook seine Möglichkeiten, die Daten von Nutzern auszuwerten, massiv ausgebaut. Es werden auch Daten, die Benutzer auf Websites außerhalb von Facebook hinterlassen, gespeichert, um diese für gezielte Werbung und möglicherweise auch andere Zwecke zu nutzen. Auf der anderen Seite erhält der Benutzer die Möglichkeit, seine Einstellungen für die eigene Privatsphäre besser steuern zu können. Unterm Strich bleibt aber festzuhalten, dass Facebook noch mehr Daten in schwer zu kontrollierender Weise sammelt.
Wie auch Bundesjustizminister Maas feststellt, gilt: „Nutzer wissen nicht, welche Daten erhoben und wie sie verwendet werden.“
Schon deshalb ist es schwer nachvollziehbar, warum die Bundesregierung nun ausgerechnet jetzt diesen Schritt macht. Immerhin hat sie bisher ihre Arbeit auch ohne Facebook-Profil erledigen können.
Politische Informationen
Mit ihrem Facebook-Profil sorgt die Bundesregierung dafür, dass Facebook beispielsweise indirekt auch Informationen über die politischen Interessen und Präferenzen der Nutzer erhält. Nachdem aber nicht nachvollziehbar ist, wie diese Informationen heute oder zukünftig genutzt werden können, ist das ein bedenklicher Schritt.
Wenn man das Geschäftsmodell von Facebook betrachtet, kann sich das auch unmittelbar negativ auswirken. Die wesentliche Einnahmequelle von Facebook ist gezielte Werbung, basierend auf dem Wissen, das das Unternehmen über Nutzer gesammelt hat. Mit den zusätzlichen Informationen, die über das Facebook-Profil der Bundesregierung verfügbar werden, können beispielsweise auch Interessensgruppen zukünftig gezielt Werbung auf Facebook schalten, um ihre Ziele zu verfolgen.
Bundesregierung und Facebook – und zwei völlig verschiedene Interessen. Lesen Sie weiter!
Informationen monetarisieren
Auf der anderen Seite steht das, was ein Unternehmen, eine Regierung, eine Partei oder jeder andere mit Facebook-Profil an Facebook preisgeben: Wer interessiert sich für meine Produkte, meine politischen Stellungnahmen (und welche) oder für meine sonstigen Aussagen auf Facebook?
Das Geschäftsmodell von Facebook besteht dann aber genau darin, diese Informationen zu monetarisieren – heute, mit den neuen Geschäftsbedingungen, noch mehr denn je zuvor. Für ein Unternehmen heißt das, dass die Informationen auch für den Wettbewerb nutzbar werden.
Man könnte auch sagen: Facebook ist die beste Möglichkeit, den Wettbewerb über seine (mehr oder minder interessierten) Follower zu informieren. Im Marketing, aber auch in der Politik, sollte man diesen Zusammenhang verstehen und abwägen, ob der Mehrwert den implizit zu zahlenden Preis in Form von für Wettbewerber interessanten Daten zahlen möchte.
Facebook mag in sein – aber es lohnt sich keineswegs für jedes Unternehmen, jede Regierung, jede Partei oder sonstige Organisation.
Follower sind keine Wähler
Die Bundesregierung wäre in jedem Fall gut beraten, wenn sie sich erst einmal über den tatsächlichen Nutzen ihrer Facebook-Präsenz klar würde. 50.000 Follower sind keineswegs 50.000 Wähler – der Wert dieser Zahl wird oft massiv überschätzt.
Der Bundesregierung empfehle ich, sich über den Widerspruch zwischen ihrem Anspruch an starke Datenschutzregeln und ihrem Handeln klar zu werden. Jetzt noch auf Facebook zu gehen, ist nicht einmal mehr modern – es ist schlicht der falsche Schritt zur falschen Zeit.
Martin Kuppinger, Principal Analyst und Gründer vonKuppinger Cole.
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