Medical Device Regulation (MDR) EU-Parlament verabschiedet neue Medizinprodukte-Verordnung
Das Europäische Parlament hat heute nach jahrelangem Ringen die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung verabschiedet. Die Verbände BV-Med, ZVEI und Spectaris reagierten prompt – und sparen nicht mit Kritik und Forderungen.
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- BVMed fordert nationales Förderprogramm für Medtech-Mittelstand
- ZVEI kritisiert zu kurze Übergangsfrist
- Spectaris spricht sich für besonnenes Vorgehen bei der Implementierung aus
Die Nachricht als solches kam weder überraschend, noch enthält sie wirklich Überraschendes. Und doch lohnt es sich, nun da die neue EU-Medizinprodukteverordnung verabschiedet ist, zunächst noch einmal die wichtigsten Fakten zusammenzutragen. Die Reaktionen der einschlägigen Medtech-Verbände erlauben indes die Auswirkungen für die Branche einzuordnen.
20 Tage bis zum Inkrafttreten, dann drei Jahre Übergangsfrist
Nach der Annahme durch das Parlament kann nun die Bekanntmachung der MDR im EU-Amtsblatt erfolgen. Die MDR tritt dann 20 Tage nach der Bekanntmachung in Kraft und gilt nach einer dreijährigen Übergangsfrist ab Mitte 2020.
Jedoch wird der neue EU-Rechtsrahmen nicht, wie anfänglich von der EU-Kommission in Aussicht gestellt, zur Vereinfachung des Inverkehrbringens von Medizinprodukten im EU-Binnenmarkt führen, sondern diesen Prozess verkomplizieren. Gegenüber der bisherigen Richtlinie enthält die MDR fast 100 Artikel mehr. Die Zahl der Anhänge steigt von 12 auf nunmehr 17. Die MDR wird außerdem durch 32 neue durchführende und weitere 11 delegierte Rechtsakte ergänzt, deren Erarbeitung noch bevorsteht.
Wesentliche Neuerungen durch die MDR
- Das „Scrutiny-Verfahren“ für Implantate der Klasse III und aktive Produkte der Klasse IIb, die Arzneimittel zuführen oder ableiten
- Die Neuregelung der Marktüberwachung mit kürzeren Meldefristen
- Zusätzliche Berichte und Pläne wie: Post Market Surveillance Plan/Report (PMS), Post Market Clinical Follow-up Report (PMCF), Periodic Safety Update Report (PSUR), Summary of Safety and Clinical Performance (SSCP)
- Wesentlich höhere Anforderungen bei der Erstellung von klinischen Daten, beispielsweise in der klinischen Bewertung.
- Die zeitlich gestaffelte Einführung einer UDI-Kennzeichnung.
- Die Höherklassifizierung bestimmter stofflicher und chirurgisch-invasiver Medizinprodukte.
Die neuen Vorschriften belasten vor allem KMU
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) äußern bereits die Sorge, dass sie wegen ihrer geringeren Nachfragemacht eine nachrangige Behandlung durch die Benannten Stellen erfahren könnten. Wegen geringerer Personalkapazitäten und Finanzierungsmöglichkeiten dürfte der kleine Mittelstand auch durch die umfassenden neuen klinischen Anforderungen sowie die umfassenden Dokumentations- und Berichtspflichten besonders hart getroffen werden.
Auch nach Ansicht des Bundesverbandes Medizintechnologie (BV-Med) werden die neuen Vorschriften insbesondere die KMU stark zusätzlich belasten. „Der BV-Med setzt sich daher für ein nationales Förderprogramm für Medtech-KMU ein“, so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt. Zudem sei die Übergangsfrist ist angesichts der umfangreichen neuen Anforderungen an die Benannten Stellen, an die klinische Bewertung von Medizinprodukten, durch neue Pläne- und Berichtspflichten und das neue Eudamed-/UDI-Datenbanksystem knapp bemessen. Positiv bewertet der Verband indes den vom Bundesgesundheitsministerium initiierten nationalen Arbeitskreis zur Implementierung der MDR – abgekürzt: NAKI.
Immerhin: Die CE-Kennzeichnung bleibt
Durchaus Gutes kann auch der ZVEI der neuen MDR abgewinnen – wohlwissend, dass es noch schlimmer hätte kommen können. „Wir begrüßen, dass der Marktzugang auch unter der MDR durch eine Konformitätsbewertung unter Beteiligung von unabhängigen Benannten Stellen geregelt bleibt“, so Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbands Elektromedizinische Technik im ZVEI. „Die Hersteller können damit weiterhin auf die bewährten Prozesse für die CE-Kennzeichnung setzen.“
Die anstehenden Aufgaben sind praktisch nicht zu schaffen
Mit der neuen MDR kommen auf die Hersteller jedoch zahlreiche zusätzliche Pflichten und Prozesse zu. Alle Benannten Stellen müssen von der zuständigen Behörde nach den neuen Regeln erneut für ihre Aufgabe akkreditiert werden. Die Unternehmen können deshalb voraussichtlich erst in zwölf Monaten damit beginnen, ihre Produkte einem erneuten Konformitätsbewertungsverfahren zu unterziehen. „In den verbleibenden 24 Monaten alle in Europa auf dem Markt befindlichen Medizinprodukte erneut zu bewerten, ist praktisch nicht zu schaffen“, betont Bursig. Erschwert werde die Umsetzung zusätzlich dadurch, dass zahlreiche Begriffe der MDR neu zu interpretieren seien und eine große Zahl von Rechtsakten zur Umsetzung erst noch erstellt werden müssten. „Die strengeren Anforderungen sollen die Sicherheit von Medizinprodukten in Europa verbessern. Die kurze Übergangsfrist von drei Jahren ist dem nicht angemessen“, so Bursig.
Personelle Engpässe sind unausweichlich
Ganz ähnlich sehen das die Verantwortlichen bei Spectaris. „Mit der MDR erfolgt eine Verschärfung der Anforderungen an die Benannten Stellen, welche die Hersteller überprüfen und zertifizieren. Starke Engpässe sind die Folge, denn es ist es derzeit noch unklar, wie viele Benannte Stellen den neuen Anforderungen entsprechen und nach Inkrafttreten der Verordnung zur Verfügung stehen. Hersteller sollten sich daher mit ihrer Benannten Stelle in Verbindung setzen oder sich, sollten sie noch keine Benannte Stelle haben, schnellstmöglich auf die Suche machen. Auch in den Regulatory Affairs Abteilungen der Unternehmen und bei den Behörden werden Fachkräfte dringend benötigt“, erklärt der Verband per Pressemitteilung und meldet zugleich Zweifel an der rechtzeitigen Implementierung der Europäischen Datenbank (Eudamed) an. Hier sei die Europäische Kommission in der Pflicht. Denn an dieser Datenbank hänge auch das europaweite System der Marktbeobachtung durch die Hersteller und die Marktüberwachung durch die Behörden.
Nischenprodukten droht das Aus
Insgesamt gefährdeten die steigenden Aufwendungen für den Marktzugang die Verfügbarkeit von Nischenprodukten. „Es besteht die Gefahr, dass zum Beispiel Nischenprodukte wegen Unwirtschaftlichkeit nicht mehr in den Markt gebracht werden und demzufolge für den Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen“, befürchtet Spectaris.
Und dennoch mahnt Spectaris-Geschäfstführer Dr. Tobias Weiler zur Besonnenheit: „Trotz der knappen Umsetzungsfrist sollten Unternehmen jetzt nicht in blinden Aktionismus verfallen und beispielsweise Beratungsunternehmen konsultieren, die möglicherweise noch nicht über ausreichendes Know-how verfügen.“ Er empfiehlt vielmehr die kommenden drei Jahre zu nutzen, um die Expertise und den fachlichen Austausch mit den Branchenverbänden der Medizinprodukteindustrie sowie deren Mitgliedern zu suchen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Partnerportal Devicemed.
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