Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector, im Interview „Es müssen standardisierte Datenmodelle geschaffen werden“
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Das OZG 2.0 und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung sind die Tage immer wieder Thema von Diskussionen. Gleichzeitig entsteht das Gefühl, dass Behörden bei der Digitalisierung auf der Stelle treten. DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector, Hermann-Josef Haag, spricht im Interview über bestehende Hürden und seine Einschätzung der rechtlichen Vorgaben.

Herr Haag, wo steht Deutschland aktuell bei der Digitalisierung von Behörden?
Haag: Die Behördendigitalisierung in Deutschland ist weiterhin eine Dauerbaustelle. Viele Verwaltungsgänge sind nicht vollständig digitalisierbar und die Umsetzung in den Verwaltungen ist mit dem vorhandenen Personal und bei den zahlreichen heterogenen Systemlandschaften kaum möglich. Ein digitales Formular, das der Bürger ausfüllt und das dann in der Verwaltung in einen analogen Prozess übergeht, ist keine Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Digitale Prozesse sind erst dann effizient, wenn sie zu Ende-zu-Ende gedacht werden. Die innere Verwaltung muss ihre Prozesse ebenfalls anpassen. Nur so gelingt ganzheitliche Digitalisierung. Das Onlinezugangsgesetz hätte ein Schritt in die richtige Richtung sein können. Doch dieses Mammutprojekt ist im ersten Anlauf gescheitert. Dass am Ende nur 33 von einst 575 zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 flächendeckend umgesetzt wurden, zeigt mehr als deutlich, wie stark die Digitalisierung die deutschen Behörden fordert.
Wo liegen aktuell die Probleme, die angepackt werden müssen, um endlich voranzukommen?
Haag: Zunächst braucht es tiefgreifendes Verständnis von Digitalisierung in den Führungsebenen der Behörden. Darüber hinaus fehlen standardisierte Vorgaben, sodass z. B. Datenmodelle harmonisiert werden. Hier spielt das Registermodernisierungsgesetz eine entscheidende Rolle, doch das muss erstmal umgesetzt werden. Es ist eine wichtige Grundlage für das OZG, damit z. B. Bürger und Bürgerinnen Daten tatsächlich nur noch einmal eintragen müssen. Außerdem wird die Digitalisierbarkeit von Gesetzen derzeit nicht stark genug berücksichtigt und das Vergaberecht auf Bundesebene passt nicht zu einem schnellen und agilen Handeln, das die Digitalisierung benötigt. Es ist ein immenser Aufwand für die Verwaltung, Vergabeverfahren aufzusetzen. Gleichzeitig ist es meistens nicht mehr reizvoll für Unternehmen der freien Wirtschaft, sich bei öffentlichen Auftraggeber:innen zu bewerben. Noch ist die Auftragslage in den Unternehmen so gut, dass sie sich nicht unbedingt den komplizierten Ausschreibungsverfahren der Verwaltungen aussetzen müssen. Das Ergebnis: Viele Ausschreibungen in den Öffentlichen Verwaltungen laufen ins Leere, kosten Geld und Zeit. In Kombination mit dem herrschenden Fachkräftemangel, der durch die Tarif- und Besoldungsstrukturen sowie Rekrutierungsmöglichkeiten kaum zu meistern ist, geraten deutsche Behörden bei ihren Digitalisierungsbestrebungen noch weiter ins Hintertreffen.
Hier kommt auch das OZG 2.0 ins Spiel. Wo macht das OZG 2.0 etwas richtig?
Haag: Positiv zu bewerten ist, dass anders als beim OZG nun eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung gedacht wird. Bisher hatte man nur die Leistungen zum Bürger im Blick und die Prozesse in der Verwaltung blieben papiergebunden. Die gesetzliche Verankerung des Once-Only-Prinzips, und dass festgelegt wird, dass elektronische Verwaltungsdienste nutzerfreundlich und barrierefrei zu gestalten sind, sind wichtige Schritte. Insbesondere das Once-Only-Prinzip kann Prozesse für Unternehmen schneller und wirtschaftlicher machen. Positiv ist auch, dass die Hürde der Schriftform weitestgehend abgeschafft wird – dadurch werden die Vorgänge in den Behörden selbst auch digitalisiert. Dokumente auszudrucken und zu unterschreiben ist bisher ein großes Hindernis in den Prozessen. Digitale Siegel könnten ein Katalysator für die Digitalisierung der Verwaltung sein. Erfreulich ist, dass Unternehmen mit einer ‚Digital-only-Regelung‘ verpflichtet werden binnen fünf Jahren ihre Anträge durchgängig digital über ein zentrales Organisationskonto zu erstellen und einzureichen.
Wo sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf?
Haag: Es fehlen bei zu vielen im OZG 2.0 vorgesehenen Leistungen die zeitlichen Vorgaben. Ohne Fristsetzungen fehlt der Anreiz, die Leistungen digital umzusetzen. Es reduziert den Druck auf die Öffentlichen Verwaltungen. Es braucht Etappenziele und ein Monitoring der Umsetzung. Ich könnte mir vorstellen, dass man z. B. Top-20-Leistungen in drei Jahren und Top-50-Leistungen in fünf Jahren definiert. Da die meisten Verwaltungsleistungen in den Kommunen und Ländern liegen, sollte der Zeitrahmen übergreifend verpflichtend sein und nicht nur für die Bundesleistungen gelten. Das würde für den nötigen Umsetzungsdruck sorgen.
In einem Statement meinten Sie mal: „Wir brauchen Technologien, deren Nutzen schnell einsetzbar ist und die sich einfacher in Fachverfahren integrieren lassen.“ Welche Technologien meinen Sie damit und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Haag: In erster Linie müssen standardisierte Datenmodelle geschaffen werden, die mit Hilfe von etablierten Schnittstellenprotokollen wie oData, SOAP oder REST API in den Business-Applikationen nutzbar gemacht werden. Low-Code-Applikationen und Cloud-Plattformen können für die Verwaltung schnell Nutzen stiften. Doch der rechtliche Rahmen muss dafür stimmen. Besonders sensible Daten können dann nur verschlüsselt und über souveräne Cloud-Angebote schnell und einfach adaptiert werden. Plattformen wie die SAP Business Technology Platform (BTP) bieten für die Verwaltung einen großen Werkzeugkasten, der bestmöglich genutzt werden sollte. Einige Beispiele, wie z. B. der Kulturpass konnten bereits erfolgreich umgesetzt werden.
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