Datenschutz und soziale Netzwerke

Redakteur: Manfred Klein

Nach wie vor ist unklar, was Verwaltungen in sozialen Netzwerken dürfen und wie sie sowohl die eigenen, wie auch die Daten ihrer Bürger schützen müssen. Die Broschüre „Städte und Gemeinden in sozialen Netzwerken“ versucht auch darauf im Gespräch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar eine Antwort zu finden.

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Auch Peter Schaar ist der Meinung, dass soziale Netze die Chance zu mehr Bürgernähe bieten
Auch Peter Schaar ist der Meinung, dass soziale Netze die Chance zu mehr Bürgernähe bieten
(Foto: Bundesregierung/Denzel)

Hintergrund: Die offenen Rechtsfragen in Bezug auf Facebook und allgemein soziale Netzwerke bedürfen nach Ansicht deutscher Datenschützer einer Klärung. In der nächsten Jahrestagung wird sich die Konferenz der Chefs der Staatskanzleien mit dem Thema befassen und dabei eine Stellungnahme der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder einbeziehen.

eGovernment Computing gibt das o.a. Interview in Auszügen wieder.

Ein großer Teil der Nutzer sozialer Netzwerke scheint keine datenschutzrechtliche Sensibilität zu haben, auch und gerade nicht in Bezug auf persönliche Informationen. Ist es Aufgabe der Datenschutzbeauftragten, an dieser Stelle unmittelbar aufklärend zu wirken?

Schaar: Die Datenschutzbehörden sind keine Gouvernanten. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung fordert auch keine Datenaskese. Jeder soll grundsätzlich selber entscheiden, wie viel er preisgibt.

Allerdings ist es Aufgabe der Datenschutzbeauftragten, über die Datenschutzrechte aufzuklären und für die Anliegen des Datenschutzes zu sensibilisieren. So weisen die Datenschutzbeauftragten darauf hin, dass bei der gängigen Praxis Probleme entstehen, wenn die Informationen außerhalb des jeweiligen Verwendungskontextes genutzt werden. Und das ist bei Social Networks in besonderem Maße zu befürchten.

Denken Sie nur an Unternehmen, die ihre Personalrekrutierungen mittlerweile auch in sozialen Netzwerken durchführen. Die politischen Kommentare oder Partyfotos, die ein Bewerber in seinem sozialen Netzwerk veröffentlicht hat, waren sicherlich nicht für den potenziellen Arbeitgeber gedacht. Was offensichtlich privat kommuniziert wird, muss auch privat bleiben können. In der Vergangenheit wurden solche Informationen aber nachträglich auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, etwa wenn die Datenschutzeinstellungen geändert wurden.

In der Publikation „Transparenz, Partizipation, Kollaboration – Web. 2.0 für die Öffentliche Verwaltung“ des Lorenz-von-Stein-Instituts geben die Autoren an, die Auffassung des Unabhängigen Zentrums für Datenschutz (ULD) widerlegt zu haben, wonach der Betrieb sogenannter Fanpages gegen deutsches Datenschutzrecht verstößt. Laut Thilo Weichert vom ULD kann von einer Widerlegung der Auffassung des ULD keine Rede sein. Wie sehen Sie die rechtliche Lage in diesem Konflikt? Machen sich die Betreiber der Fanpages strafbar oder nicht?

Schaar: Die Datenschutzaufsichts­behörden von Bund und Ländern sind sich einig, dass in Deutschland ansässige Unternehmen, die sich mit Fanpages in sozialen Netzwerken präsentieren, eine eigene Verantwortlichkeit hinsichtlich der Daten der Nutzerinnen und Nutzer ihres Angebots haben. Es ist damit Pflicht des Unternehmens oder der Behörde, über den Umfang und Zweck der Datenerhebung sowie deren Verarbeitung zu informieren und eine Einwilligung der Nutzer einzuholen. Dies ist für die Betreiber der Fanpages in Facebook de facto in dieser Form nicht möglich, weil sie in der Regel keine Kenntnis über die Datenverarbeitungsvorgänge besitzen. Dies haben die Datenschützer problematisiert. Letztendlich wird das aber durch die Gerichte zu entscheiden sein. Die IHK Schleswig-Holstein hat bereits eine Klage gegen das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz angestrengt.

Sie haben bereits 2009, im Zusammenhang mit der Missachtung des Datenschutzgesetzes, auf den juristischen „Flickenteppich“ hingewiesen – die unterschiedlichen Landesdatenschutzgesetze eines jeden Bundeslandes und deren nicht immer einheitliche Auslegung. Ist in Bezug auf soziale Netzwerke mit einer einheitlichen gesetzlichen Regelung in Deutschland zu rechnen, oder wäre es möglich, dass beispielsweise niedersächsische Städte und Gemeinden in sozialen Netzwerken aktiv sein dürfen, während die schleswig-holsteinischen darauf verzichten müssen?

Schaar: Es wird auch in Zukunft Landesdatenschutzgesetze geben. Daher bleibt die Frage, was Verwaltungen dürfen und was sie nicht dürfen, tatsächlich abhängig von diesem Landesrecht. Allerdings sind in dieser Frage die Gesetze nicht so sehr unterschiedlich, sodass es letztlich um die Auslegung geht. Im Hinblick auf die Social Networks selbst haben wir in Deutschland keinen Flickenteppich. Wir haben ein deutsches Recht, das in ganz Deutschland gilt, und zwar das Bundesdatenschutzgesetz und das Telemedien­gesetz. Was wir aber brauchen ist mehr Einheitlichkeit auf europäischer Ebene, und zwar auf hohem Datenschutzniveau. Das halte ich hier für vordringlich. Deshalb richten die Datenschützer nun ihr Augenmerk auf die Reform des europäischen Datenschutzrechts.

Viele Politiker sehen in den neuen Medien Chancen für mehr Bürgernähe. Wie beurteilen Sie diese Position?

Schaar: Ich teile diese Position vollständig. Die neuen Medien bieten die Chance, die Entscheidungen transparenter zu machen und die Bürger verstärkt in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Allerdings plädiere ich sehr dafür, nicht diejenigen zu vergessen, die die sozialen Medien nicht nutzen.

Es gibt Studien, die besagen, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung – insbesondere ältere Menschen – nach wie vor das Internet nicht oder nur gelegentlich verwenden. Andere Studien belegen, dass zwei Drittel der Deutschen jedenfalls keine starken Internetnutzer seien. Wenn man jetzt Bürgernähe betont, darf das nicht dazu führen, dass vorhandene Kanäle und Zugangsmöglichkeiten reduziert werde­n.

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