Bürgerbeteiligung zwischen Zensur und politischer Willensbildung ePartizipation: den Kinderschuhen entwachsen?

Redakteur: Manfred Klein

Beim Thema eGovernment haben die Begriffe ePartizipation und eDemocracy immer wieder mal Konjunktur. Bisher jedoch ohne besondere Folgen für den laufenden Politikbetrieb. Die Autoren eines nun erschienenen Buches mit dem Titel „ePartizipation – Beteiligungsprojekte im Internet“ sehen aber eine deutliche Trendwende.

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So erklären die Autoren schon auf dem Klappentext: „ePartizipation ist in der Praxis angekommen“. Denn inzwischen seien die Methoden und Werkzeuge erprobt und öffentliche Beteiligungsverfahren würden zunehmend elektronisch unterstützt.

Zur Begründung führt Tilmann Schulze-Wolf, einer der Autoren, in seinem Vorwort aus, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit an politischen oder planerischen Entscheidungen in Deutschland eigentlich nichts Neues sei. Bereits seit 1960 schreibe das Baugesetzbuch eine Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben, Planungen oder Planänderungen vor. In einer zweiten Partizipationswelle seien dann – im Gegensatz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren – viele Beteiligungsverfahren freiwilliger Natur hinzugekommen. Diese seien im Zusammenhang mit den lokalen Agenden, der „Sozialen Stadt“ oder des Stadtmarketings eingeführt worden und hätten eine ganze Reihe neuer Beteiligungsverfahren wie Mediationsangebote, Zukunftswerkstätten, Bürgerforen oder Bürgergutachten hervorgebracht.

Das Internet katalysiert die Entwicklung

Zur Zeit dieses Emanzipationsbooms Mitte der 1990er-Jahre entwickelte sich auch das Internet zu einem Werkzeug, das bald fast jedem Bürger zugänglich war. Der kurz darauf einsetzende Aufbau von Breitbandverbindungen führte dann dazu, dass das Internet in alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens vordrang. Schulze-Wolf zieht aus den beiden sich ergänzenden Entwicklungen den Schluss: „Um die Menschen mit Beteiligungsverfahren zu erreichen, war es daher naheliegend, die vorhandenen Partizipationsinstrumente auch für das Internet zu realisieren.“ Zusätzlich angeschoben wurde dieser Trend, nach Schulze-Wolf, durch folgenden Umstand: „Durch die im Grunde fast basisdemokratisch zu nennenden Grundzüge des Internets sind ideale Voraussetzungen gegeben, um demokratische Beteiligungsverfahren zu etablieren. Unterstützend dabei ist, dass sich viele Instrumente der Internet-Community wie Foren und Chats hervorragend eignen, um in angepasster Form in Beteiligungsverfahren eingesetzt zu werden.“

Inzwischen seien eine Vielzahl dieser Werkzeuge für alle Arten der elektronischen Partizipation entwickelt und auch bereits vielfach erfolgreich eingesetzt worden, so Schulze-Wolf in seiner Einleitung.

Der lästige Bürger

Der Band stellt einige besonders erfolgreiche Beispiele vor und analysiert ihre Funktion und Wirkungsweise. Das Spektrum der dabei behandelten Themen ist ausgesprochen breit gespannt. Die elektronischen Bürgerbeteiligungsverfahren in Berlin, Hamburg und München werden ebenso thematisiert, wie formelle Verfahren in der Verkehrs- und Raumplanung. Andere Kapitel analysieren die Hintergründe von Bottom-Up-Beteiligungen und der damit verbundenen Kampagnen. Die Aktivitäten des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Bereich eDemocracy kommen ebenso zu Wort, wie Online-Bürgernetzwerke im Zusammenspiel mit Parteien, NGOs und Medien. Diskutiert werden auch Fragen der Moderatorenrechte im Web 2.0 und inwieweit SMS in künftige Online-Beteiligungsprozesse eingebunden werden könnte. Die Autoren beleuchten aber auch weniger erfreuliche Aspekte elektronischer Beteiligungsverfahren. Etwa wenn – wie bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern geschehen – Rechtsradikale die Plattform für ihre Zwecke missbrauchen und sich – wenn ihre Fragen und Eingaben nicht freigeschaltet werden – über „Zensur“ beschweren. Und sie sparen auch nicht mit Kritik an der politischen Nomenklatura, wenn diese nicht antworten. Die Autorin Angelika Gardiner formuliert dies in ihrem Beitrag unter der Überschrift „Angela Merkel antwortet nicht“ so: „Manchen Politikerantworten war anzumerken, dass der Kandidat die Fragen der Bürger lästig fand.“

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