Interview eParticipation als Gegenentwurf zur Politikverdrossenheit
Nach den positiven Erfahrungen mit ihrem eParticipation-Projekt wollen die Kölner Stadtväter die elektronische Bürgerbeteiligung zum Standardangebot ausbauen.
Anbieter zum Thema
eGovernment Computing sprach mit dem Projektverantwortlichen Guido Kahlen über die Hintergründe.
Herr Kahlen, Köln hat sein prämiertes Projekt mit dem Ziel gestartet, Bürger vermehrt zur aktiven Teilnahme am politischen Geschehen zu bewegen. Welche politische und gesellschaftliche Bedeutung messen Sie eParticipation generell zu?
Kahlen: Stadtregionen sehen sich einem zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Diesen Wettbewerb können sie nur mit radikaler Kundenorientierung bestehen. Der gesellschaftliche, technologische und demografische Wandel fordert innovative und zukunftsweisende Lösungen auf allen Ebenen der Öffentlichen Verwaltung. Ich bin davon überzeugt, dass der Öffentliche Sektor dies nur mit Unterstützung der Zivilgesellschaft erfolgreich bewältigen kann. Für mich ist eParticipation der zukunftsweisende Gegenentwurf zu Politikverdrossenheit und Staatsferne.
Viele eParticipation-Projekte leiden darunter, dass die Bürger zwar ihre Meinung äußern können, dieses Meinungsbild aber nicht in den Prozess der politischen Entscheidungsfindung mündet. Welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden?
Kahlen: Wir müssen den Bürgern, die sich beteiligen wollen, klar definierte Leistungsversprechen machen und diese einhalten. Der Stadtrat hat daher zugesichert, die insgesamt 300 Top-Bürgervorschläge zu beraten und danach öffentlich Rechenschaft über die Entscheidung abzulegen. Inzwischen hat der Stadtrat entsprechende Maßnahmenpakete zur Umsetzung der Vorschläge beschlossen. Dafür werden allein für 2008/2009 zusätzlich 8,2 Millionen Euro bereitgestellt. Weitere Mittel werden im Haushalt 2010 folgen. Der Rechenschaftsbericht wurde im Rahmen einer Bürgerversammlung vorgelegt und ist zum anderen im Internet nachlesbar. Wir wollen im nächsten Jahr noch einen Schritt weiter gehen: Die Bürger sollen im Internet für jeden Vorschlag nachverfolgen können, wie der tatsächliche Umsetzungsstand ist.
Die Kölner Stadtväter wollen ePartizipation zu einem weitreichenden Standardangebot machen. Wie hat man sich das im Detail vorzustellen?
Kahlen: Erst mal geht es darum, das Verfahren mit allen notwendigen Ressourcen fest im Gefüge der Stadtverwaltung zu verankern. Der Stadtrat hat nach dem erfolgreichen Pilotprojekt beschlossen, für den Haushalt 2010 ein neues Beteiligungsverfahren zu neuen Haushaltsthemen anzubieten. Wir werden bis zum Start die Internet-Plattform noch in einigen Details verbessern und einen Online-Workflow für die medienbruchfreie Auswertung und das Monitoring anbinden. Danach können weitere Beteiligungsverfahren neben dem Haushalt ins Auge gefasst werden, beispielsweise zu Standort-, Planungs- und Verkehrsfragen oder anderen wichtigen Themen. Die Initialzündung zu einem Beteiligungsverfahren muss dann seitens der Fachdezernate oder der Politik erfolgen.
Was müssen Stadtväter tun, wenn sie vergleichbare Projekte erfolgreich abwickeln wollen?
Kahlen: Um eine Initiative auf den Weg bringen zu können, braucht man zunächst eine oder mehrere einflussreiche Promotoren. In unserem Fall war dies unter anderem der Stadtkämmerer, der das Projekt unterstützt hat. Zur weiteren Umsetzung braucht die Verwaltung engagierte und aufgeschlossene Mitarbeiter, die bereit sind, neue Wege im Dialog mit den Bürgern zu gehen. Was eParticipation selbst angeht, sind einfache und barrierefreie Zugänge eine grundlegende Voraussetzung. Zudem hat es sich bewährt, alle anderen Zugänge (Telefon, schriftlich, persönlich) in einer Multi-Kanal-Strategie zu integrieren. Zu guter Letzt ist eine effektive Öffentlichkeitsarbeit vor und während des Beteiligungsverfahrens erforderlich. Die positive Medienresonanz hat dem Kölner Bürgerhaushalt einen wichtigen Schub gegeben.
Artikelfiles und Artikellinks
Link: Stadt Köln
(ID:2018515)