Barrierefreie PDF-Dokumente erstellen Digitale Teilhabe für alle Bürger
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Das Onlinezugangsgesetz befördert in Deutschland die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und macht auf diese Weise den Zugriff auf Verwaltungsleistungen schneller und bequemer. Damit alle Menschen von diesen Vorteilen profitieren können, müssen die Angebote barrierefrei sein.

Die entsprechenden internationalen Richtlinien gibt es bereits seit 1999. Damals wurde die erste Fassung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) veröffentlicht. In Deutschland sind die gesetzlichen Vorgaben seit 2002 verankert in der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung, kurz BITV). Neue Aufmerksamkeit erlangte das Thema mit der EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, die auch Dateiformate aus Büroanwendungen abdeckt wie PDF-Dokumente.
Aktueller Stand
Das Portable Document Format (PDF) kommt bei vielen Verwaltungsleistungen zum Einsatz. Zum Zeitpunkt der Entstehung des PDF spielten Barrierefreiheitsaspekte noch keine Rolle. Seit der Version 1.7 können auch PDF-Dokumente gut zugänglich für Menschen mit Behinderung aufbereitet werden. Leider wird diese Möglichkeit immer noch viel zu wenig genutzt.
Ein Blick in den ersten gemäß der EU-Richtlinie 2016/2102 geforderten Bericht zum Stand der Barrierefreiheit bei den öffentlichen Stellen der Bundesrepublik Deutschland an die EU-Kommission offenbart große Rückstände. Wichtige Anforderungen wie Alternativtexte für Bilder oder ein ausreichender Kontrast für alle Texte wurden von der Mehrheit der geprüften Dokumente nicht erfüllt. Auch die vereinfachte technische Dokumentprüfung wurde nur selten bestanden.
Vielzahl an Regeln und Bestimmungen
Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, warum bis heute trotz vorhandener Richtlinien und technischer Möglichkeiten nur so wenige PDF-Dokumente barrierefrei sind.
Die Vielzahl an Gesetzen, Normen und Richtlinien spielt dabei vermutlich eine Rolle: WCAG 2.1, BITV, ISO 14289, Matterhorn-Protokoll, ISO 32000 – um nur einige zu nennen. Der thematische Einstieg erscheint hier zunächst mühsam und aufwändig, zumal die darin beschriebenen Anforderungen häufig alles andere als selbsterklärend sind.
In der praktischen Umsetzung werden die Verantwortlichen zusätzlich mit der intransparenten Marktlage konfrontiert. Inzwischen lassen sich aus nahezu jeder Büroanwendung PDF-Dokumente erzeugen. Nach welchen Vorgaben konvertiert wird und ob die entstandenen Dokumente konform zu einschlägigen Normen sind, legen die Hersteller jedoch meist nicht vollständig offen. Die Auswahl einer geeigneten Software zur Dokumenterstellung erfordert so häufig eine intensive Recherche.
Drei Maßnahmen für barrierefreie PDF-Dokumente
Damit Barrierefreiheit trotzdem zum allgemeinen Standard bei der Entstehung von Dokumenten wird, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Sensibilisierung der Redaktion
- Definition technischer Mindestanforderungen
- Einplanen einer Qualitätssicherung
Sensibilisierung der Redaktion
Viele Barrieren entstehen nicht durch technische Mängel, sondern durch redaktionelle Entscheidungen. Damit Inhalte so dargestellt werden, dass sie gut zugänglich sind, müssen die Mitarbeiter einer Redaktion zuerst besser verstehen, wie Menschen mit einer Behinderung Informationen wahrnehmen.
Menschen ohne Einschränkungen setzen beispielsweise Formen, Diagramme oder Bilder zur Veranschaulichung von Daten ein. Solche grafischen Darstellungen sind nur dann für alle zugänglich, wenn sie ausreichend kontrastiert und mit Textalternativen versehen worden sind.
Auch Textverweise, zu deren Verständnis eine bestimmte Sinneswahrnehmung nötig ist, sind nicht für alle Menschen gleich zugänglich, beispielsweise „Pflichtfelder sind rot gekennzeichnet“ oder „Ausfüllhinweise finden Sie oben rechts.“ Blinde und fehlsichtige Menschen sind darauf angewiesen, dass die entsprechenden Informationen auch auf andere Weise gefunden werden können.
Beispiel für eine Barriere, die durch redaktionelle Entscheidungen entsteht:
Auf der nächsten Seite: Tags, Qualitätssicherung, Formate.
Definition technischer Mindestanforderungen
Die richtige technische Basis ist wichtig, damit assistive Technologien wie Screenreader die enthaltenen Informationen vollständig und richtig ausgeben können.
Ein zentrales Element bei der Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente sind sogenannte Tags. Mit ihnen können unter anderem Informationen zur Semantik und Reihenfolge übermittelt werden. Da die Verwendung von Tags für eine valide PDF-Datei nicht unbedingt notwendig ist, werden Tags von einigen Anwendungen gar nicht oder nur optional beim Konvertieren erzeugt.
Weitere technische Anforderungen für barrierefreie PDF-Dokumente lassen sich aus der ISO 14289 (PDF/UA) ableiten. Hierbei handelt es sich um einen Substandard des in der ISO 32000 spezifizierten offenen PDF-Standards. PDF/UA ist meist auch Grundlage für PDF-Prüftools wie den PDF Accessibility Checker oder die Barrierefreiheitsprüfung in Adobe Acrobat.
Im Dokumenterstellungsprozess können Prüftools allerdings nie das tiefere technische Verständnis für die Anforderungen ersetzen. Es ist dennoch möglich, falsch-negative Ergebnisse zu erzeugen, in denen zwar die formale Richtigkeit mit null Fehlern bestätigt wird, der Inhalt aber trotzdem nicht barrierefrei zugänglich ist.
Einplanen einer Qualitätssicherung
Neben der Sensibilisierung von Mitarbeitern und der Anwendung technischer Standards ist es empfehlenswert, auch eine Fachkraft auf dem Gebiet der Barrierefreiheit im Prozess einzuplanen. Sie kann im Verlauf der Dokumenterstellung begleitend unterstützen oder zumindest Teil der abschließenden Qualitätssicherung sein.
Zur Überprüfung der Barrierefreiheit von Dokumenten genügt eine rein toolbasierte Barrierefreiheitsprüfung nämlich nicht, da einige Anforderungen aktuell ausschließlich durch den Menschen geprüft werden können. Die Aussagekraft und Angemessenheit von Alternativtexten kann beispielsweise nicht maschinell evaluiert werden.
Das richtige Dokumentformat
Barrierefreie Dokumente dienen keinem Selbstzweck, sondern sollen den Zugang zu Informationen für alle Bürger:innen gewährleisten. Bei der Auswahl des Dateiformats ist daher auch die Berücksichtigung des Verwendungskontextes sinnvoll. Sollen später beispielsweise Dokumentinhalte nur begrenzt bearbeitbar sein oder ist die Anzeigetreue eine wichtige Anforderung, so kann das PDF eine gute Wahl sein. Erfordern die Inhalte sehr viel Interaktion oder eine responsive Anzeige, kann zum Beispiel HTML besser geeignet sein.
Bei PDF-Dokumenten, die Bestandteil eines Prozesses sind, kann sich auch die Beleuchtung des Gesamtablaufs lohnen. Ein komplexer Antragsprozess kann beispielsweise in sich selbst eine Barriere darstellen, auch wenn alle darin verwendeten Dokumente sorgfältig aufbereitet und barrierefrei sind.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Handeln
Das Thema Barrierefreiheit hat in den letzten Jahren viel zu wenig Beachtung gefunden und die Möglichkeiten für eine digital inklusive Gesellschaft wurden nicht voll ausgeschöpft. Die EU-Richtlinie 2016/2102 erhöht nun den Druck zu handeln, damit Behörden ihre Bemühungen verstärken. Von der anfänglichen Komplexität sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn am Ende sind auch kleine, sukzessive Verbesserungen vor allem eines: Verbesserungen. Dabei kann eine ganzheitliche Herangehensweise zusätzlich Barrieren abbauen, die über die technische Aufbereitung hinausgehen. Wirkungsvolle Unterstützung bei der Evaluierung der Barrierefreiheit von Dokumenten, Web- und Desktop-Anwendungen sowie Apps bieten zudem externe Berater mit passenden Workshops.
Danila Lompa
IAAP-zertifizierte Beraterin im Team Barrierefreiheit des Geschäftsbereichs Public Sector bei Materna und Expertin für barrierefreie PDF-Dokumente
© Materna
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