Digitalisierung Die Vorteile eines digitalen Bürgerbüros
Bundesweit entstehen immer mehr digitale Bürgerbüros mit virtuellen Kontaktmöglichkeiten für den Bürger. Was steckt dahinter, welche Services sind überhaupt digitalisierbar, und wie groß ist der Aufwand für die Behörden?
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Statistisch gesehen sucht jeder Bürger alle fünf Jahre ein Bürgerbüro auf, um einen Personalausweis oder Reisepass zu beantragen oder um sich an-, um- oder abzumelden. Viele kennen das lange Warten in den öffentlichen Warteräumen und den damit verbundenen Stress. Auch wenn die Digitalisierung von Bürgerservices in einigen Kommunen noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es andernorts Bewegung.
Beispiel: Regensburg
Digitalisierung bringt nicht nur in Pandemiezeiten Vorteile, die Ämter und Bürger werden grundsätzlich entlastet. Gleichzeitig können sich die entsprechenden Städte und Kommunen als Vorreiter für bürgerfreundliche und zeitgemäße Lösungen profilieren. Wie das konkret aussehen kann, zeigt beispielsweise das Landratsamt Regensburg, das bereits seit Sommer des vergangenen Jahres ein virtuelles Bürgerbüro betreibt. Als Pilotprojekt in zunächst fünf Fachbereichen gestartet, wurde das digitale Angebot seither aufgrund des großen Zuspruchs von Bürgern und Behördenmitarbeitern weiter ausgeweitet. Auch das Büro der Landrätin Tanja Schweiger ist heute virtuell erreichbar.
Technische Basis sind so genannte Collaboration-Plattformen, die Bürgern eine digitale, interaktive Kontaktaufnahme mit den Bediensteten ermöglichen. Dazu zählen die Kommunikation per Video und Chat sowie die Möglichkeit, Dokumente per Desktop-Sharing gemeinsam betrachten und bearbeiten zu können. Um das Angebot zu nutzen, benötigen Bürger einen Laptop oder PC mit Webcam und Mikrofon oder ein entsprechendes Smartphone oder Tablet. Darüber hinaus entstehen keine Kosten für die Nutzung der digitalen Sprechstunden.
Digitale Unterstützung
„Viele vorbereitende Schritte lassen sich in Bürgerangelegenheiten digital erledigen. Der ganze Bereich der Erst- und Folgeberatung ist komplett digitalisiert möglich“, erklärt Emanuel Graf, Product Manager und Collaboration Consultant der SWS Computersyteme AG, die beim Landratsamt Regensburg das virtuelle Bürgerbüro implementiert hat. SWS ist Mitglied des Digitalisierungsverbunds „Innovation Alliance“, der als Zusammenschluss mehrerer IT-Unternehmen Städte und Kommunen sowie Unternehmen bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben berät. „Behördenmitarbeiter können so auch vom Homeoffice aus beim Ausfüllen von Formularen oder Anträgen helfen oder Auskünfte geben“, sagt Graf weiter.
Basierend auf der Collaboration-Plattform wird das „virtuelle Bürgerbüro“ zum Beispiel in die Website eines Bürgeramtes eingebunden. Dort finden Besucher dann eine Übersicht der für sie zugänglichen virtuellen Bereiche mit den entsprechenden Öffnungszeiten. Ist das gewünschte Büro geöffnet und verfügbar, kann sich der Nutzer in den virtuellen Wartebereich einwählen. Die verbleibende Wartezeit wird dabei angezeigt. Wenn der zuständige Behördenmitarbeiter dann frei ist, wird Einlass gewährt, und das Gespräch kann starten.
„Cisco Webex“, die technische Basis des Services, ermöglicht eine (Live-) Video-Beratung und Chat-Möglichkeiten. Zudem lassen sich Dokumente und Anträge über das Teilen des Bildschirms gemeinsam besprechen und bearbeiten. Natürlich können auch Online-Termine vereinbart werden – die Terminbestätigungen inklusive Link zur virtuellen Beratung kommen per SMS oder eMail.
„Mit dieser digitalen Lösung können Behörden etablierte eGovernment-Verfahren wirksam unterstützen und beschleunigen“, sagt Frank Dittmar, Business Development Manager bei der Pan Dacom Networking AG und Presseverantwortlicher der Innovation Alliance. „Sie lässt sich schnell bereitstellen und flexibel ausbauen.“
Hybridmodelle
Die meisten Ämter, die virtuelle Bürgerdienste leisten, bieten auch weiterhin persönliche Vorsprachen an. Im Rahmen eines Hybridmodells wechselt zum Beispiel das Landratsamt Regensburg zwischen Präsenz- und Videoterminen. Ein Wechsel zwischen Online- und Vor-Ort-Termin kann sich ebenfalls einrichten lassen. Auch digitale Bürger-Sprechstunden, Online-Pressekonferenzen und andere Events sind machbar.
Generell dürfte sich das digitale Angebot auch für weitere Berufsgruppen eignen, zum Beispiel für Krankenkassen oder Versicherungen. Für die IT-Teams der Behörden bedeutet die Betreuung des digitalen Bürgerbüros laut Anbieter kein hoher Aufwand, da der Service intuitiv bedienbar und keine speziellen IT-Kenntnisse nötig seien. Die IT-Teams in den Verwaltungen wird das freuen. „IT-Administratoren der Ämter sind schnell in der Lage, Büros auch selbst neu einzurichten, wenn der Dienst einmal installiert ist“, versichert Graf.
Online-Services
In Deutschland gibt es 575 unterschiedliche behördliche Verfahren, von denen sich aktuell bereits 315 digital abwickeln lassen. Dazu zählen insbesondere Verfahren, bei denen (vorbereitende) Beratungsleistungen oder der Austausch per Video wichtig ist – wie zum Beispiel bei Bauverfahren, im Bereich der Existenzgründung, Wirtschaftsförderung, bei Asylverfahren oder der Sucht- und Schwangerschaftsberatung.
Natürlich muss die Legitimation auch in virtuellen Büros klappen. Der Kunde kann dem Sachbearbeiter beispielsweise seine Ausweisdokumente per Video zeigen. Die Gesetzeslage und der pandemiegetriebene Druck auf die Verwaltungen, mehr Homeoffice zu ermöglichen, wird auch 2021 die digitale Ausstattung der Bürgerbüros weiter forcieren.
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