eGovernment Summit 2019 Die Ideenschmiede der Verwaltung

Autor Manfred Klein

Der eGovernment Summit 2019 diskutiert unter dem Motto „eGovernment ‚Made in Germany‘ – Aufbruch zur Digitalen Exzellenz“ aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung. Auch in diesem Jahr treffen sich dazu wieder die Spitzen aus Verwaltung, Forschung und Wissenschaft zum Erfahrungsaustausch.

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Viele der Teilnehmer aus dem vergangenen Jahr werden sich im November in der Hansestadt Bremen treffen, um die drängenden Fragen rund um eGovernment und Digitalisierung zu diskutieren
Viele der Teilnehmer aus dem vergangenen Jahr werden sich im November in der Hansestadt Bremen treffen, um die drängenden Fragen rund um eGovernment und Digitalisierung zu diskutieren
(© Mara Zemgaliete - stock.adobe.com [M] Bernhard Manhard)

Gerade wieder kritisiert Der Spiegel die mangelnden Fortschritte im eGovernment. Dabei wurde in den vergangenen Monaten unzweifelhaft viel erreicht. Das ist jedenfalls die Meinung der Teilnehmer des diesjährigen eGovernment Summit.

So fasste Marc Reinhardt, Head of Public Sector und Health beim Beratungsunternehmen Capgemini, die Fortschritte der vergangenen Monate so zusammen: „Die Politik im Allgemeinen und speziell die ausführenden Behörden und Ministerien messen den Themen heute eine andere Bedeutung zu. Wenn man ein paar Jahre zurückblickt, war das Thema zwar auf der Agenda, blieb aber meist auf der verbalen Ebene. Mittlerweile wird deutlich aktiv gehandelt und umgesetzt. Es gibt messbare Fortschritte.“

Zudem habe die Digitalisierung in der Breite und in der Spitze einen Bedeutungszuwachs erhalten. Anfangs seien es eher einzelne Pioniere gewesen, die sich dem Thema gewidmet hätten, mittlerweile sei jedoch eine eigene Dynamik entstanden und die Entwicklungen gehen deutlich mehr in die Breite, so Reinhardt.

Erkennbare Fortschritte

Weitere Fortschritte gebe es nach Reinhardts Meinung in folgenden Bereichen:

  • eGovernment ist mittlerweile in deutlich mehr Abteilungen und Bereichen zentrales Thema, es wurde zugleich vermehrt zur Chefsache gemacht und entsprechende Mittel bereitgestellt.
  • Es wurde erkannt, dass Digitalisierung die Voraussetzung für jede Form der Verwaltungsmodernisierung ist.

Andreas Gremm, Senior Solution Architect bei Broadcom, teilt diese positive Einschätzung. „Die Bestrebungen, Digitalisierung und eGovernment voranzubringen, sind deutlich gestiegen. In den Digitallaboren wird gute Arbeit geleistet“, so Gremm.

Im Zusammenhang mit der OZG-Umsetzung aber weist Gremm auf die Wichtigkeit eines agilen Projektverlaufs im eGovernment hin. Eine intensive Kommunikation mit den Kommunen sei dafür unverzichtbar und helfe, Herausforderungen rechtzeitig zu identifizieren und aus der Landesebene heraus Unterstützung anzubieten.

Kritischer sieht Ralf Schneider, Vorstand der ISB AG, die Situation und betont die Notwendigkeit einer zentralen Steuerung. Dazu Schneider: „Gerade der zentralen Steuerung kommt eine ungemein wichtige Rolle zu, da aktuell sehr viele Projekte auf Landes- und kommunaler Ebene losgetreten werden, die häufig die gleichen Prozesse digitalisieren. Kurzum: Das Rad wird gerade mehrfach erfunden. Umso wichtiger ist es, dass der IT-Planungsrat und/oder FITKO mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden, um künftig solche Doppelarbeiten zu vermeiden.“

Des Weiteren sei es dringend vonnöten, einheitliche IT-Standards für die künftigen Vorhaben vorzugeben. Eine Integration beziehungsweise Anbindung verschiedener Verfahren könnte erheblich vereinfacht werden, wenn einheitliche Schnittstellen eingehalten würden. Nur so könnten bestehende Silos aufgebrochen und Insellösungen vermieden werden.

Schneider verwies auch darauf, dass es zur Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung im Allgemeinen und zur erfolgreichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes unbedingt erforderlich sei, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dazu zählen für Schneider insbesondere:

  • Ausbau Breitbandanbindung: Eine vollumfängliche Breitbandversorgung ist Grundvoraussetzung für eGovernment, autonomes Fahren, Industrie 4.0 etc. Trotz aller Bemühungen und Programme gibt es immer noch zu viele weiße Flecken, die schleunigst geschlossen werden müssen (da verweise ich gerne auf den Lieblingsspruch des damaligen EU-Kommissars Oettinger: „Lieber Schlaglöcher statt Funk­löcher“).
  • Weglassen unnötiger Form- und Verfahrensanforderungen: Das in den Digitallaboren begonnene Vorgehen, ausschließlich vom Nutzer ausgehend die Prozesse neu zu definieren und umzusetzen statt einfach nur bestehende Vorschriften und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren, sollte konsequent fortgeführt werden.
  • Einführung eAkte: Die eAkte ist Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches eGovernment, da man mit Papierdokumenten immer Medienbrüche haben wird.
  • Vereinfachung der Signatur: Es bedarf einer vereinfachten, aber noch wichtiger einer einheitlichen Signatur; die Handhabung mit den bestehenden Signaturen ist für das Gros der Bürger nach wie vor noch zu kompliziert.
  • Erleichterung der Authentifizierung durch Bürgerkonten.
  • Nutzung von Best Practices: Es sollte vielmehr darauf geachtet werden, bestehende Anwendungen anderer Bundesländer und Kommunen zu nutzen und gegebenenfalls seine eigenen Prozesse darauf anzupassen.
  • Vermarktung der eGovernment-Erfolge: Erfolge dürfen auch gefeiert und müssen vermarktet werden – als gutes Beispiel, Leuchtturm und Motivator weiterer Vorhaben.

Aufbruch zur Digitalen Exzellenz

Alles Themen, denen sich der eGovernment Summit 2019 intensiv widmen wird. Getreu dem Motto des diesjährigen Summit „eGovernment ‚Made in Germany‘ Aufbruch zur digitalen Exzellenz“ beschäftigt sich der Summit aber nicht nur Fragen der OZG-Umsetzung, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit Zukunftsthemen.

Auf die Bedeutung dieser Themen wies auch Juan Perea Rodríguez, Head of Public Sector bei Fujitsu hin. „Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und Quantencomputing werden die Basis einer durchdringenden Verknüpfung von Mensch, Technologie und Design basierend auf der Erhebung, Verarbeitung, Analyse und Visualisierung immenser Datenmengen sein. In diesem Zusammenhang wird die Frage nach Datenkontrolle und Cybersecurity immer wichtiger.“

Perea betonte in diesem Zusammenhang auch, dass seiner Meinung nach sich bei der Umsetzung alles um Vertrauen und Transparenz drehe. Das gelte nicht nur für die Entwickler, sondern in gleichem Maße auch für Politik.

Rolf Sahre, Vorstandsvorsitzender der MACH AG, ergänzte: „Künstliche Intelligenz wird unsere Gesellschaft und damit auch die Verwaltungen nachhaltig verändern. Wir sehen hier viele Vorteile, die diese Technologie liefert, wenn sie mit den Fachverfahren der Verwaltung sinnvoll verknüpft wird. Verschiedenste Einsatzfelder sind denkbar, in denen KI-Entscheidungen zum Beispiel durch Prognosen unterstützt, Daten visualisiert und Routinetätigkeiten übernimmt. Elementar wichtig für die Verwaltung ist, dass KI-basierte Entscheidungen nachvollziehbar getroffen werden – wir sprechen hier von der sogenannten erklärbaren KI.“

Neue Technologien verändern die Verwaltung

Klaus Poensgen, Leiter des Segments Länder und Kommunen bei T-Systems, verwies darauf, dass der technische Wandel alle Lebensbereiche betreffen werde. Dazu Poensgen: „Der technologische Fortschritt durchdringt alle Lebenswelten und Branchen: Autos werden zu Connected Cars, Stromnetze zu Smart Grids und Uhren zu Smartwatches. Auch im öffentlichen Sektor nimmt die IT dadurch einen maßgeblichen Stellenwert ein, muss mitwachsen und sich transformieren – sei es in der Verwaltung, im Bereich der inneren sowie äußeren Sicherheit, im Gesundheitswesen oder in Wissenschaft und Forschung. Selbst Kirchen und soziale Einrichtungen sind vom digitalen Wandel betroffen.“

Auch Marc Reinhardt von Capgemini wies auf die Bedeutung der KI und anderer neuer Technologien hin. Dazu Reinhardt: „Cloud Computing, soziale Medien, Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge kennzeichnen die dritte Technologiewelle, die unsere Gesellschaften aktuell massiv verändern. Damit verbunden ist die zunehmende Vernetzung von und Wertschöpfung aus Daten. Hierbei kann es zu Asymmetrien kommen, manche Akteure profitieren anscheinend deutlich mehr als andere.“

Dirk Stockmeier, Vorsitzender des Vorstands der ]init[ AG, mahnt jedoch zur Vorsicht. „In nächster Zukunft stehen sicherlich einige technologische Entwicklungen an. Staat und Verwaltung prägen die Regeln des Internets und die Bedingungen der Digitalisierung, aber sie können sie nicht beliebig gestalten. Technologievorhaben der Öffentlichen Hand aus den letzten Jahren zeigen deutlich, was passiert, wenn man an der Realität vorbei entwickelt.“

Stocksmeier weiter: „Die Regeln des Internets und der Plattformökonomie gelten auch für digitale Angebote der Verwaltung und wenn sie nicht befolgt werden, werden die Bürger und Unternehmen nicht erreicht, mit dem Ergebnis entsprechend niedriger Nutzerzahlen. Deshalb sollte die Verwaltung bei allen Digitalisierungsinitiativen stärker mit bedenken, in welchen Ökosystemen sie sich bewegt und wie sie ihre Angebote darin integriert – von der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen über das Servicekonto bis hin zu Datenstandards. Eine stärkere Orientierung an etablierten Industriestandards und -produkten ist notwendig – ebenso wie offene Schnittstellen und Regeln digitaler Ökosysteme zu beachten.

In diesem Zusammenhang hat der eGovernment Summit 2019 auch das Thema digitale Souveränität auf die Agenda genommen. Dazu meinte Marc Reinhardt: „Die staatliche Souveränität in Bezug auf Technologien und Daten wird zunehmend wichtiger. Wir leben in Zeiten, in denen digitale Technologien das Potenzial haben, als Druckmittel bei zwischenstaatlichen Konflikten eingesetzt werden können. Das muss gar nicht gleich das absolute Extrem eines Cyberwars sein, bei dem kritische Infrastrukturen des Gegenübers attackiert werden, um eine Invasion vorzubereiten oder die eigene Verhandlungsposition entscheidend zu stärken. Es können auch wirtschaftliche Konflikte sein, wie wir sie gerade beim chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei erleben.“

Dennoch dürfe man hier nicht in Panikmache verfallen, sondern es gelte, stets eine kritische, aber abwägende Bewertung des Risikos vorzunehmen. Nicht jedes einzelne Datum sei derart kritisch, dass es in einer deutschen oder europäischen Cloud vorgehalten werden müsse.

Rolf Sahre verwies hier auf die besondere Rolle der Öffentlichen Verwaltung: „Digitale Souveränität meint die Befähigung, die digitale Welt zu verstehen, sie selbst mitzugestalten und zu nutzen. Für Bund, Länder und Kommunen ist die Erhaltung digitaler Souveränität wesentlich, um das nötige Maß an Entscheidungsfreiheit zu erlangen. Dies ist wiederum Voraussetzung, um zum Beispiel zwischen verschiedenen Lösungen die passende auszuwählen, zu gestalten und letztendlich für die jeweilige Einrichtung nutzbar zu machen. Durch digitale Souveränität sichern Verwaltungen ihre Unabhängigkeit und vergrößern ihre Handlungsspielräume – in Zeiten zunehmender Komplexität und Abhängigkeiten wichtige Ziele, die es zu verfolgen gilt.“

Eine wesentliche Rolle in diesem Prozess spiele selbstverständlich auch die IT-Industrie. Dazu Rolf Sahre: „Es ist die Aufgabe von IT-Unternehmen, Innovationen zu schaffen, die für die Verwaltung echte Mehrwerte liefern. Es braucht Lösungen, die Prozesse und Anwendungen wesentlich vereinfachen und effizient gestalten, um aktuelle Herausforderungen, wie den demografischen Wandel, zu meistern. IT-Unternehmen müssen dabei die Trends von morgen bereits heute für den Einsatz in der Öffentlichen Verwaltung prüfen und diese, dort wo es Nutzen stiftet, mit bestehenden Lösungen verknüpfen.“

Die Rolle des eGovernment Summit

Auch in diesem Jahr wird der eGovernment Summit wieder eine zuverlässige Plattform abgeben, auf der diese – und zahlreiche andere – komplexen Fragen diskutiert werden. So ist etwa für Ralf Schneider der eGovernment Summit aufgrund seiner Besetzung „die ideale Plattform, um Maßnahmen zum Vorantreiben der Digitalisierung innerhalb der Öffentlichen Verwaltung zu erarbeiten, aber auch konkrete Handlungsempfehlungen und Verbesserungsvorschläge zur Erhaltung sowie Verbesserung der digitalen Souveränität zu formulieren.“

Und Juan Perea von Fujitsu meint zum eGovernment Summit: „Es besteht durchaus eine Ähnlichkeit zu modernen Design-Thinking-Ansätzen. Diese beruhen auf der Erkenntnis, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwickeln und dann entsprechende Konzepte entwickeln, die mehrfach geprüft werden. Natürlich ist der eGovernment Summit kein Design Thinking Workshop. Aber der ­Summit kann eine Ideenschmiede sein.“ mk

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