Förderung quelloffener Software Der Weg für Open Source ist geebnet
Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission hebt die Bedeutung quelloffener Lösungen für Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität hervor. Die Kommission geht mit gutem Beispiel voran und stellt ihre Software quelloffen in einer Datenbank zur Verfügung.
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Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und das OpenForum Europe haben im Rahmen der Studie „The impact of Open Source Software and Hardware on technological independence, competitiveness and innovation in the EU economy“ die wirtschaftlichen Auswirkungen von Open-Source-Software und -Hardware untersucht.
Dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinsichtlich der Förderung und Nutzung quelloffener Software keinen Spitzenplatz belegt, dürfte niemanden überraschen. Eine weitere klare Aussage der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie lautet: Den EU-Mitgliedsstaaten wird empfohlen, Open Source auf allen Ebenen zu fördern – von der Bildung über die Forschung, den öffentlichen Sektor bis hin zur Wirtschaftspolitik. Die Begründung: Open Source leiste einen erheblichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der EU, könne die Folgen des Fachkräftemangels mindern und senke die Gesamtbetriebskosten auch im öffentlichen Sektor.
Die öffentlichen Beschaffungsregelungen, die sich in der EVB-IT niederschlagen, wurden für die Beschaffung von proprietärer Software entwickelt und eignen sich dadurch nur bedingt für die Beschaffung von Open-Source-Software
Empfehlungen
Die Souveränität des Staates und der Öffentlichen Hand ist das zentrale Anliegen bei der Nutzung quelloffener Lösungen. COO des Projekts „Sovereign Cloud Stack“ der OSB Alliance, Dr. Manuela Urban, fasst zusammen, was – basierend auf den Studienergebnissen – im Public Sector passieren muss:
- Stärkere Berücksichtigung von Open Source im öffentlichen Beschaffungswesen; dabei sollen die Bedürfnisse von Open-Source-basierten KMU berücksichtigt werden.
- Integration von Open Source und Community Building in die Forschungs-, Wirtschafts- und Innovationspolitik.
- Finanzielle Förderung von Open-Source-Software- und Hardware-Stiftungen, z. B. für ihre Bildungsprogramme und für die Zusammenarbeit mit Unternehmen, insbesondere mit KMU und Start-ups.
- Einbindung von Open-Source-Stiftungen in Forschungs- und Innovationsprogramme.
- Bei künftigen Reformen der Urheberrechts- und Patentgesetzgebung sollte Open Source besser berücksichtigt werden.
- Mehr Fördermittel für Forschung und Entwicklung im Bereich Open-Source-Software und Open-Source-Hardware in bestehende Programme wie z. B. Horizon Europe.
- Schaffung wirksamer Anreize für das Veröffentlichen von Code, der in öffentlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungs-Projekten entstanden ist, in öffentlich zugängliche EU-basierte Open-Source-Repositorien.
Laut Urban fehle eine übergreifende Rahmensetzung für die öffentliche Beschaffung und für generelle Maßgaben hinsichtlich einer internen Entwicklung und Nutzung quelloffener Software. „Die öffentlichen Beschaffungsregelungen, die sich in der EVB-IT niederschlagen, wurden für die Beschaffung von proprietärer Software entwickelt und eignen sich dadurch nur bedingt für die Beschaffung von Open-Source-Software. Hinzu kommt, dass die vom BSI auf den Betrieb proprietärer Software ausgerichteten Sicherheitsanforderungen sich nicht nahtlos auf Open-Source-Software übertragen lassen“, meint Urban.
Vor allem im kommunalen Bereich weise die Studie auf die Notwendigkeit einer Gesamtstrategie und deren Koordination hin. „Kommunen profitieren ganz besonders von einem gemeinsamen Vorgehen und vom Bündeln ihrer Kräfte. Open Source bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Dienste gemeinschaftlich souverän zu gestalten. Es gibt bereits spannende Initiativen, wie etwa ‚one place for public sector code‘, einem Open-Source-Software-Repository für den öffentlichen Sektor“, so Urban.
Transparenz
Die EU-Kommission geht mit gutem Beispiel voran, indem sie künftig ihre Softwarelösungen öffentlich zugänglich machen möchte – „wann immer dies für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen oder für andere Behörden vorteilhaft sein kann“. Die Kommissionsdienststellen sollen also künftig in ihrem Eigentum stehende Software-Quellcodes wesentlich rascher und unbürokratischer veröffentlichen können. Vor jeder Veröffentlichung werde die entsprechende Software auf Sicherheits- und Vertraulichkeitsrisiken, Datenschutzaspekte und potenzielle Verstöße gegen Rechte des geistigen Eigentums Dritter geprüft, betont die Kommission.
Quelloffenheit bietet große Vorteile in einem Bereich, in dem die EU eine führende Rolle einnehmen kann
„Quelloffenheit bietet große Vorteile in einem Bereich, in dem die EU eine führende Rolle einnehmen kann. Die neuen Vorschriften sorgen für mehr Transparenz, und die Kommission, die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und Behörden in ganz Europa werden von der Entwicklung quelloffener Software profitieren können“, erläutert EU-Kommissar Johannes Hahn, der für Haushalt und Verwaltung zuständig ist. „Wenn wir Anstrengungen zur Verbesserung der Software bündeln und neue Funktionen gemeinsam gestalten, sinken die Kosten für die Gesellschaft, weil wir auch die Verbesserungen anderer Entwickler nutzen können.“ Zudem sei für die Verbreitung von Software im Rahmen einer Open-Source-Lizenz künftig kein Beschluss der Kommission mehr erforderlich.
„Die EU-Kommission stärkt damit die Open-Source-Ecosysteme – und damit die Digitale Souveränität Europas“, kommentiert Tobias Gerlinger, CEO von ownCloud. „Diese Ecosysteme sind nämlich unsere einzige Chance, eine eigene leistungsfähige Digitalwirtschaft und damit echte Alternativen zu den großen US-amerikanischen und chinesischen Hyperscalern zu schaffen.“
Ampelkoalition unterstützt Open Source
Auch die neue Bundesregierung hat sich die Förderung quelloffener Lösungen auf die Fahnen geschrieben. Laut Koalitionsvertrag sollen Neuentwicklungen von Behörden in der Regel als Open Source beauftragt werden, zudem werde künftig bei der Beschaffung von Standardsoftware gezielt nach Open-Source-Alternativen gesucht. Rico Barth, Geschäftsführer von cape IT und Vorstandsmitglied der OSB Alliance, hält diese Marschrichtung für wichtig, gerade weil „im gesamt-europäischen Kontext gedacht“ werde.
„Nicht minder zuversichtlich stimmt die Zielsetzung, nicht-vertrauenswürdige Unternehmen beim Ausbau kritischer Infrastrukturen nicht zu beteiligen. Das heißt: Proprietäre, geschlossene Software, die nicht überprüft werden kann, wird in Zukunft entsprechend hoffentlich seltener werden“, sagt Barth.
Die englischsprachige Studie der EU-Kommission kann hier als PDF heruntergeladen werden.
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