Nationaler IT-Gipfel Bund investiert erneut in eGovernment
Die Ergebnisse des ersten Nationalen IT-Gipfels haben für Aufregung in der Branche gesorgt. Dazu trug nicht zuletzt die Ankündigung der Bundesregierung bei, sie werde in den nächsten drei Jahren 1,2 Milliarden Euro in den IT-Standort Deutschland investieren. Entsprechend aus dem Häuschen waren die Vertreter der verschiedenen Branchenverbände. Kaum ein Lobbist, der nicht seine Meinung zum Gipfel kundtat. Aber auch so können sich die Vereinbarungen des Gipfels sehen lassen. Das gilt auch für die eGovernment-Aktivitäten des Bundes.
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Ziel des Gipfels – der am Hasso-Plattner-Institut in Postdam stattfand – war es, der Informationstechnologie aus Deutschland auf dem Weltmarkt eine deutlich bessere Position zu verschaffen. Dazu verabschiedeten die Teilnehmer aus Politik, Forschung und Wirtschaft ein umfassendes 12-Punkte-Programm, in dem auch eGovernment eine wichtige Rolle spielt. So erklärte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, dass der Informationsaustausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung bis zum Jahr 2012 ausschließlich elektronisch erfolgen solle. Gleichzeitig will die Bundesregierung mit dem Programm „Informationsgesellschaft“ 2010 (iD2010) die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für IT-Branche gezielt verbessern und die Integration von Bürgern und Staat beschleunigen und die Rahmenbedingungen für eine sichere Informationsgesellschaft schaffen. Zudem soll durch eine Ausweitung und Beschleunigung der Initiative Deutschland-Online Deutschland im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz beim eGovernment erreicht werden. Für das professionelle Management von eGovernment-Großprojekten soll zudem eine effektive Umsetzungsorganisation mit ausreichenden Ressourcen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang will die Bundesregierung die Einrichtung von „zentralen IT-Verantwortlichen in den Bundesministerien für deren gesamten Geschäftsbereich“ vorantreiben. Gleichzeitig sollen IT-Strategie und -Architektur der Bundesverwaltung stärker als bisher gebündelt und koordiniert werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble soll dazu zusammen mit Bundesaußenminister Peer Steinbrück ein entsprechendes Konzept erarbeiten. Auch die Einrichtung einer zentralen Service-Hotline über die Bürger und Wirtschaft mit der Verwaltung in Kontakt treten können, steht als Ergebnis des Gipfels für die kommenden Jahre auf dem Programm.
eGovernment in Deutschland
Einig waren sich die Vertreter der eGovernment-Arbeitsgruppe des IT-Gipfels – der neben Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble und dem Bundes-CIO Martin Schallbruch auch die Staatssekretäre Lutz Diwell vom Bundesmisterium der Justiz und Harald Lemke, der CIO des Bundeslandes Hessen auch Dr. Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), Dr. Carsten Kreklau vom BDI, Dr. Bernhard Schareck vom GdV, Gerhard Fercho von der Initiative D21, Martin Jetter von der IBM, Dr. Thorsten Demel von der Deutschen Bank, Michael Kleinemeier (SAP), Dr. Winfried Materna (Materna) sowie Prof. Dr. Helmut Krcmar von der Technischen Universität München und Prof. Dr. Hermann Hill von der DHV Speyer angehörten, in der grundlegenden Einschätzung der deutschen eGovernment-Entwicklung. Dazu formulierten sie in ihrem Abschlussdokument: „Deutschland verfügt im Kern über eine gute und in vieler Hinsicht vorbildliche Öffentliche Verwaltung. Durch die europäische Integration, den demographischen Wandel, das globalisierte Wirtschaften und den technologischen Fortschritt haben sich Wirtschaft und Gesellschaft radikal verändert. Die deutsche Verwaltung muss mit diesem Wandel der Lebenswirklichkeit Schritt halten, um den Erwartungen der Bürger sowie den Anforderungen der Unternehmen an eine leistungsfähige Verwaltung gerecht zu werden.“ Informationstechnoligie sei in diesem Veränderungsprozess der entscheidende Motor für einen erfolgreichen Wandel. Darüber hinaus sei erfolgreiches eGovernment die Voraussetzung für eine zukunftsfähige servceorientierte Verwaltung. Zwar fänden sich exzellente eGovernment-Projekte auf allen Ebenen der deutschen Verwaltung, gleichwohl liege Deutschland bei der Umsetzung von eGovernment im internationalen Vergleich derzeit nur auf einem Mittelplatz. Gründe dafür seien sind die mangelnde Flächendeckung, Umsetzungsgeschwindigkeit und Durchgängigkeit der eGovernment-Projekte und -Lösungen. Auch finde die föderale Struktur unseres Landes nicht ausreichend Berücksichtigung, so die Arbeitsgruppe im Abschlusspapier des Gipfels.
Die Herausforderungen der Zukunft
Zusammenfassend kam die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass in Deutschland immer noch flächendeckend angebotene, durchgängige elektronische Verwaltungsdienstleistungen von hoher Qualität, Effizienz und Effektivität fehlen. Um dies zu ändern, müssten die Verwaltungen aller Ebenen zusammenarbeiten, eine gemeinsame eGovernment-Strategie entwerfen und ihre eGovernment-Projekte stärker vernetzen. Um dies zu bewältigen, müssten neue Anforderungen berücksichtigt werden, die sich der Verwaltung insgesamt stellen. Explizit nannte die Arbeitsgruppe vier Bereiche:
- Der zunehmende elektronische Geschäftsverkehr und die Integration von Geschäftsprozessen zwischen Wirtschaft und Verwaltung sind ein Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft.
- Die voranschreitende europäische Integration verlangt eine hohe Interoperabilität der Verwaltungsleistungen aller Mitgliedsstaaten. Zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie sind erhebliche organisatorische und technische Anstrengungen erforderlich, um die Anforderungen zu erfüllen.
- Der Wandel hin zu einer Informationsgesellschaft, die zunehmende Wahrnehmung von Diensten bei größerer räumlicher Distanz, aber auch demografischer Wandel in Deutschland zwingt die Behörden zu Veränderungen, die eine gleichbleibend hohe Versorgung aller Bürgerinnen und Bürgern auch in der Fläche des Landes sicherstellen.
- Der Umgang mit technologischen Entwicklungen wie „web 2.0“ oder „RFID“ und ihre Adaption durch Wirtschaft und Verwaltung hat Ausstrahlungswirkung auf die Qualität des High-Tech-Standorts Deutschland.
Handlungsfelder für einen strategischen Ansatz
Um das gemeinsame Ziel, Deutschland im eGovernment an die europäische Spitze zu bringen, so die Mitglieder der Arbeitsgruppe, müsse sich die deutsche Verwaltung an den besten Beispielen für den konsequenten Einsatz der IT in Wirtschaft und ausländischer Verwaltung orientieren. „Beispiele aus anderen Ländern zeigen die Bedeutung eines klaren Fokus auf Großprojekte, sichtbare politische Führung und einer umfassenden Kommunikation mit Verwaltung, Wirtschaft und Bürgern. Und so wie es erfolgreichen internationalen Konzernen gelungen ist, ihren geschäftlichen Erfolg durch durchgängige IT-basierte Geschäftsprozesse zu fördern, soll dies auch der deutschen Verwaltung gelingen.“ Drei Faktoren seien dabei entscheidend für den Erfolg:
- Die professionelle Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Lieferanten bis hin zur Auslagerung von ganzen Prozessen und Aufgaben. – Die Aufgaben werden von dem erbracht, der es am besten kann.
- Infrastrukturen werden konsolidiert, z.B. durch Zentralisierung und Einführung durchgängiger Plattformen. Die Industrialisierung der Itbasierten Leistungserbringung löst „Silo- oder Insellösungen“ ab („Von der Manufaktur zur Fabrik“). Dadurch kann IT radikal kostengünstiger erbracht werden.
- Die optimale Ausgestaltung der Schnittstelle zu den Kunden – Mit leichtem, individuellem Zugang zu allen Angeboten und integrierter, interoperabler (auf offenen Standards beruhende) elektronischer Prozessgestaltung zwischen Unternehmen, Lieferanten und Kunden.
Aufgabenstellung
In ihrem Bericht kommt die Arbeitsgruppe zu der Ansicht, dass die Programme der Bundesregierung für die Fortentwicklung des eGovernment und der Informationsgesellschaft, wie eGovernment 2.0 und iD2010, diese Ansätze in Teilen bereits aufgegriffen hätten. Auch seien sie in die eGovernment-Programmen vieler Länder, Kommunen sowie in den Aktionsplan Deutschland-Online sie bereits eingeflossen. Jetzt gelte es aber, die daraus entstehenden Projekte zu bündeln und durch gemeinsame Anstrengung von Staat, Privatwirtschaft und Wissenschaft zu beschleunigen. Dazu die Arbeitsgruppe weiter: „Die Arbeitsteilung innerhalb der föderalen Ebenen, zwischen ihnen sowie mit der Privatwirtschaft soll deutlich gestärkt werden. Nicht jeder muss alles tun. Intelligente Arbeitsteilung hilft vielmehr, die bestehenden Effizienzpotenziale zu heben. Es ist gut und richtig, dass Entscheidungen vor Ort getroffen werden und Länder und Kommunen hohe Selbständigkeit haben. Es ist ebenso sinnvoll, die elektronische Abwicklung des schlicht administrativen Tagesgeschäfts möglichst zu bündeln.“ Für die angeregte neue Arbeitsteilung sieht die Arbeitsgruppe mehrere Ansatzpunkte:
- Die Übertragung der Verantwortung für die Aufgabenerfüllung umfasst nicht zwingend auch die Durchführung aller administrativen Teilschritte. Im Zusammenhang mit der anstehenden zweiten Stufe der Föderalismusreform soll darüber nachgedacht werden, wo eine IT-basierte gemeinschaftliche Erledigung von Teilaufgaben sinnvoll sein kann.
- Deutschland-Online-Vorhaben wie die Fortentwicklung des Melde-, Kfz- und Personenstandswesens sollen so gestaltet werden, dass die elektronische Abwicklung gleichartiger administrativer Teilschritte möglichst gebündelt erledigt wird, die Beratung und Unterstützung der Bürger hingegen möglichst flächendeckend lokal erfolgt.
- Die Einrichtung von Dienstleistungszentren (Shared Service Center) innerhalb der Verwaltung oder - wann immer diese möglich und ordnungspolitisch geboten erscheinen – in Kooperation mit oder durch die Wirtschaft kann den administrativen Aufwand der Verwaltung erheblich reduzieren. In diesem Zusammenhang sind auch die Möglichkeiten von Public Private Partnerships (PPPs) zu prüfen und (z.B. für den Aufbau von SSC) zu nutzen.
Angesichts des digitalen Flickenteppichs in den Öffentlichen Verwaltungen kam die Arbeitsgruppe zu folgender Einschätzung: „Die historisch gewachsenen Insellösungen bei der IT-Infrastruktur sind kostentreibend und verhindern die Zusammenarbeit der Behörden untereinander. Nur durch eine einheitliche und übergreifende IKT-Infrastruktur werden durchgängige interoperable Lösungen ermöglicht und Finanzmittel für nötige Neuinvestitionen freigesetzt. Eine standardisierte und einheitliche Infrastruktur ist eine entscheidende Voraussetzung zur Vereinheitlichung der Prozesse im öffentlichen Sektor.“ Zur Umsetzung dieser einheitlichen Infrastruktur sind nach Ansicht der Arbeitsgruppe vier Vorhaben von besonderer Bedeutung:
- Eine einheitliche Kommunikationsinfrastruktur für die Öffentliche Verwaltung Deutschlands (KIVD) ist das zentrale Projekt im Rahmen von Deutschland-Online. Seine Umsetzung muss von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam entschieden vorangetrieben werden. Der Einsatz neuer Technologien wie Voice over IP ist zu prüfen.
- Die Schaffung von sicheren elektronischen Identitäten sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für Vertrauen, Sicherheit und Persönlichkeitsschutz im eBusiness und eGovernment und die dynamische Fortentwicklung der Online-Märkte in Deutschland.
- Die Einführung eines elektronischen Personalausweises für das Internet, die die Bundesregierung angekündigt hat, schafft eine notwendige Infrastruktur zur Bekämpfung von Online-Identitätsmissbrauch. Damit werden Online-Anwendungen sicherer und komfortabler Nutzbar und neue Anwendungen in Wirtschaft und Verwaltung möglich. Die Infrastruktur muss auf bestehende öffentliche oder private Infrastrukturen aufgebaut werden, die Bedürfnisse aller relevanten Anwender abbilden und darf sich nicht auf einzelne Anwendungen beschränken.
- Standardisierungsaktivitäten müssen über alle Verwaltungsebenen und Fachbereiche hinweg koordiniert und konsolidiert werden und die europäische Ebene intensiv einbeziehen.
Optimal ausgestaltete Schnittstellen und Prozesse
Die Schnittstellen zwischen der Verwaltung und ihren „Kunden“ – den Bürgern und den Unternehmen – müssen weiter verbessert werden, um den Zugang zu Leistungen der Behörden schneller und einfacher zu gestalten. Als Richtschnur für künftige Entwicklungen sollte der Ansatz des nutzenorientierten eGovernment dienen. Hierbei sind die unterschiedlichen Bedarfslagen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und der unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche zu berücksichtigen:
- Alle Öffentlichen Einrichtungen sollten den Unternehmen anbieten, in einheitlicher Form und elektronisch zusammen zu arbeiten. Anreizsysteme können die Nutzung elektronischer Angebote befördern. Bis 2012 sollten Transaktionen zwischen Unternehmen und Behörden grundsätzlich nur noch elektronisch abgewickelt werden. Bei der Umsetzung sind die besonderen Erfordernisse kleiner und mittlerer Unternehmen aufzunehmen. Ihre Anpassungsfähigkeit muss berücksichtigt werden.
- Die bürokratischen Lasten für Unternehmen hängen entscheidend von dem Aufwand ab, den Verwaltungskontakte verursachen. Elektronische Prozessketten zwischen Unternehmen und Behörden sollen bedarfsorientiert gemeinsam mit der Wirtschaft aufgebaut und weiterentwickelt werden. Hierbei ist nach Optimierungs- und Nutzenpotential zu priorisieren.
- Das Telefon ist noch immer ein wichtiger Kommunikationskanal zur öffentlichen Verwaltung. Daher sollte eine bundesweit einheitliche Servicenummer für Bürger eingerichtet werden, über die Anfragen beantwortet und Eingaben bearbeitet werden können.
- Für die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden sind verlässliche Kommunikationswege auf- und auszubauen, die spam-, virenfreie und wo notwendig rechtverbindliche Kommunikation erlauben und vor Manipulationen geschützt sind.
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