Nationaler Normenkontrollrat Beim OZG 2.0 die richtigen Schwerpunkte setzen

Von Natalie Ziebolz |

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Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann seinen Jahresbericht 2022 mit dem Titel „Bürokratieabbau in der Zeitenwende – Bürger, Wirtschaft und Verwaltung jetzt entlasten“ übergeben. Positiv sieht der NKR den Digitalcheck, doch in puncto OZG ist noch einiges zu tun.

Der Nationale Normenkontrollrat mit Bundesminister Dr. Marco Buschmann
Der Nationale Normenkontrollrat mit Bundesminister Dr. Marco Buschmann
(Bild: Florian Gaertner/photothek.de)

„Digitalisierung ist und bleibt der wesentlicher Schlüssel für den Abbau von Bürokratie“, so Lutz Goebel, Vorsitzender des Normenkontrollrats, und bringt damit gleich zwei Themen zusammen, die den aktuellen Jahresbericht – Berichtszeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 – des Kontroll- und Beratungsgremiums dominieren: die Digitalisierung der Verwaltung respektive die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie die Minimierung der Bürokratie sowohl für Bürger und Unternehmen als auch für die Verwaltungen selbst.

Bürokratieabbau anpacken und profitieren

Gerade die Bürokratie ist in Zeiten vermehrter Krisen eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten – und ein extremer Kostenfaktor. So stieg der Erfüllungsaufwand im Berichtszeitraum um 6,7 Milliarden Euro auf rund 17,4 Milliarden Euro. Die Steigerung lässt sich zwar größtenteils (90 Prozent) auf den angehobenen Mindestlohn zurückzuführen, doch Goebel betont, selbst wenn der Mindestlohn ausgeblendet würde, zeige sich ein negativer Trend beim Erfüllungsaufwand. „Dabei müssen Wirtschaft, Verwaltung und Bürger gerade in Krisenzeiten von unnötiger Bürokratie ent- statt belastet werden. Es ist an der Zeit, mit neuem Elan und kreativen Ideen auf einen Neustart beim Bürokratieabbau hinzuarbeiten.“ Schließlich sei dieser ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif, wie der NKR in seinem Bericht schreibt.

Der Normenkontrollrat hebt daher erneut die Bedeutung des angekündigten Bürokratieentlastungsgesetzes hervor. „Die Bundesregierung muss diesen Ankündigungen jetzt Taten folgen lassen. Die angekündigten Gesetzespakete zur leichteren Fachkräftegewinnung und zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren werden zeigen, wie ernst es der Regierung ist“, resümiert Goebel.

Akuter Handlungsbedarf bei der Verwaltungsdigitalisierung

Einer der wichtigsten Hebel um die Bürokratie zu verringern ist die Digitalisierung. Doch wie bereits bekannt ist, tut sich Deutschland dabei immer noch sehr schwer. „Im fünften Jahr der Umsetzung und mit Ablaufen der gesetzten Frist, bis Ende 2022 alle relevanten Verwaltungsleistungen flächendeckend und nutzerfreundlich digitalisiert zu haben, zeigt sich, dass die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland noch nicht merklich vorangekommen ist – und das trotz gesetzlicher Pflicht, trotz erheblicher Anstrengungen von allen Verwaltungen und trotz üppiger Gelder vom Bund“, fasst der Bericht die aktuelle Situation zusammen. In Zahlen heißt das, in der Mehrheit der Bundesländer können aktuell nur 33 der 575 Onlinedienste digital angeboten werden. „29 davon als reine Bundesleistung, die per se flächendeckend verfügbar sind.“

Die Gründe dafür sind vielfältig: So hemmt beispielsweise die Kombination aus komplizierten Koordinierungs- und Abstimmungsstrukturen und facettenreichen Herausforderungen die Digitalisierung in der Verwaltung. Dies führe dazu, dass „die handelnden Akteure überfordert, die Entscheidungen erschwert und Entwicklungen verlangsamt“ werden, stellt der Normenkontrollrat fest und geht noch weiter: „Der Versuch über aufwendige, in die gesamte Breite des föderalen Bundesstaates wirkende Programmstrukturen eine effektive und effiziente Steuerung zu erreichen, war nicht vom erwarteten Erfolg gekrönt und wird inzwischen von vielen sogar als gescheitert angesehen“, heißt es im Jahresbericht.

Gleichzeitig fehlt es an orchestrierten Vorgaben wie Standards und Schnittstellen, die es den Akteuren erlauben, dezentral und eigenständig zu entscheiden, EfA-Lösungen „auf einfache Weise weiterzugeben bzw. zu übernehmen“, sowie an den Instrumenten, Daten über die Behörden hinweg auszutauschen, sodass Unternehmen und Bürger sie nur noch einmal angeben müssen. Zwar seien in puncto Datenaustausch bereits maßgebliche Gesetze erlassen worden, deren Umsetzung bereits angelaufen ist, dies soll jedoch bis Ende des Jahrzehnts dauern und liege bereits in Teilen hinter dem Zeitplan zurück. Daraus folgert der NKR: „Deutschland fehlt weiterhin ein modernes und leistungsfähiges öffentliches Datenmanagement.“

„Bei der Verwaltungsdigitalisierung sieht der NKR akuten Handlungsbedarf und die Notwendigkeit für ein konsequentes Umsteuern der Politik“, stellt Goebel klar. „Wir fordern ein OZG-Nachfolgegesetz, für das alle Beteiligten an einen Tisch gebracht werden müssen.“ Und für dieses hat der NKR auch klare Empfehlungen:

  • 1. EfA-Standards und -Basiskomponenten statt EfA-Software: Da „teure Einheitslösungen, die innovationsförderlichen Wettbewerb behindern und die unterschiedlichen Anforderungen in Kommunen kaum erfüllen können“, plädiert der NKR dafür, künftig auf mehr Wettbewerb bei den Softwarelösungen zu setzen und stattdessen auf ein orchestriertes Architekturmanagement und klare, öffentliche Standards zu setzen.
  • 2. Registermodernisierung als gleichrangig zum OZG betrachten: Laut dem NKR ist „echte Verwaltungsdigitalisierung“ nur möglich, „wenn Daten, die an einer Stelle in der Verwaltung vorhanden sind, an anderer Stelle weiterverwendet werden können“. Papiernachweise seien daher durch Registerabfragen zu ersetzen, die händische Unterschrift durch elektronische ID-Lösungen. „Die Registermodernisierung ist das Fundament jeder Verwaltungsdigitalisierung und wird in Deutschland bei allem Engagement der Projektbeteiligten insgesamt noch immer viel zu stiefmütterlich behandelt“, so die Autoren des Berichts.
  • 3. OZG-Marktplatz zum föderalen „IT-Kaufhaus“ ausbauen: Zwar sollen FIT-Store und OZG-Marktplatz bereits die Transaktionskosten für Identifizierung, Beschaffung, Betrieb und Weiterentwicklung geeigneter IT-Lösungen senken, dem NKR geht dieser Vorstoß jedoch nicht weit genug. Er fordert ein „föderales IT-Kaufhaus, das es Behörden aller Art leicht macht, vergaberechtlich geprüfte, mit den Standards des föderalen IT-Verbundes kompatible, einfach in Betrieb zu nehmende, datenschutzrechtliche unbedenkliche und lizenzrechtliche günstige IT-Lösungen aller Art zu beschafften“.
  • 4. Entscheidungs- und Steuerungsstrukturen verbessern: Um klare und schnelle Entscheidungs- und Steuerungsstrukturen zu gewährleisten, schlägt der NKR vor, dass einerseits der IT-Planungsrat öfter tagt. Andererseits solle der Bund von seinem Recht Gebrauch machen, einheitliche Standards zu setzen. „Gestärkt werden muss auch die operative Leistungsfähigkeit, am besten, indem die föderale IT-Koordinierung (FITKO) zu einer föderalen Digitalisierungsagentur nach internationalem Vorbild ausgebaut wird“.
  • 5. Rechtsanspruch und transparente Erfolgskontrolle festlegen: Statt lediglich auf das quantitative Ziel 575 Dienstleistungen zu digitalisieren zu setzten, fordert der NKR den Fokus mehr auf qualitative Sichtweisen zu legen und die durchgehende Digitalisierung vom Antrag bis zum Bescheid anzustreben. „Ein OZG 2.0 braucht daher eine breitere Zieldefinition sowie mehr Verbindlichkeit und Konsequenz in der Umsetzung. [...] Zugleich sollte es einen Rechtsanspruch auf die Nutzung einfacher, digitaler Verfahren geben, Dafür sind neue Umsetzungsfristen zu definieren und die Anwendung digitaler Servicestandards verbindlich vorzugeben.“ Um dies zu kontrollieren sei ein Monitoring erforderlich, das neben der formalen Umsetzung auch Qualität und Nutzerzahlen der Anwendung berücksichtigt.

Auf der nächsten Seite: Gesetzgebung und Digitalcheck.

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